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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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schon vorher bei dir gemeldet. Auf dem üblichen Weg.«
      »Wahrscheinlich hast du recht.«
      »Irgendein Idiot, der sich einen Spaß erlauben will.« Als Rosa weiter mit gerunzelter Stirn auf die Karte sah, streckte er die Hand aus, griff nach der Karte und zerriß sie. Die beiden Hälften ließ er in den Papierkorb fallen. »Siehst du, da gehört sie hin.«
      Rosa warf den Umschlag ebenfalls weg, drehte ihre Hände um und betrachtete ihre Fingerspitzen. Sie prickelten, als habe sie gerade etwas Warmes, Vibrierendes berührt. »Prickeln im Finger...« Wie ging der Spruch weiter?
      »Ich werd' nicht zum Mittagessen bleiben, Duffy, aber einen Kaffee könnte ich jetzt vertragen.« Sie kam sich kindisch vor, doch sie wollte die Heimfahrt und das Alleinsein solange hinauszögern, bis das unangenehme Gefühl vergangen war, das die Karte hervorgerufen hatte.
      »Fantastisch.« Er legte einen Arm um ihre Hüfte und hob sie förmlich aus ihrem Stuhl. »Hol' deine Krimskramstasche und komm' mit.«
      Duffys gute Laune, sein offensichtliches Vergnügen an ihrem Beisammensein und seine Alltäglichkeit würden, so dachte sie sich, auch das letzte bißchen Unruhe vertreiben, und tatsächlich bestätigte sich diese Vermutung, bis sie einige Stunden später ihr Arbeitszimmer betrat und sich an den Schreibtisch setzte, um zu arbeiten.
      Sie saß schon eine Weile da, doch die Welt von Michael Kelly, in die sie sich gewöhnlich nach einem kurzen Anspannen ihrer Vorstellungskraft hineinversetzen konnte, schien sich ihr heute zu entziehen und substanzlos geworden zu sein. Nachdem sie ein wenig gelesen hatte, schob sie das Buch beiseite. Die Atmosphäre ihres Arbeitszimmers wirkte heute eher bedrückend als beruhigend. Nichts als Düsterkeit. Dunkle Wände, schwere Möbel, und der bleierne Himmel vor dem Fenster verstärkte diesen Eindruck noch. Selbst ihr geliebter Teppich schien seine Leuchtkraft verloren zu haben. Sie machte das Licht an.
      Sie mußte dieses Zimmer verändern. Sie würde nicht mehr ruhig in ihm arbeiten können, bevor sie das tat. Unmittelbar nachdem Rosa diese Entscheidung gefällt hatte, fühlte sie sich besser. Natürlich wollte sie vieles behalten. Die meisten ihrer Möbelstücke, den Teppich. Aber sie wollte die Wände hell streichen, frühlingshafte Vorhänge (vielleicht irgend etwas mit Mohnblumen) anbringen und neue Drucke oder sogar Poster aufhängen. Morgen würde sie gleich zur Air France gehen. Vielleicht bekam sie da ein Poster von der Provence. Vor ihrem inneren Auge sah sie verbrannte Erde und geschwungene Ziegeldächer; weiße Möwen und Olivenbäume gegen einen strahlend blauen Himmel. Sie begann sich wohler zu fühlen. Danach könnte sie zur Designer's Guild oder zu Harvey Nichol's gehen, um Stoffe auszusuchen.
      Sie begann, die Kupferstiche abzunehmen. Zunächst würde sie sie im Abstellraum unterbringen. Sie stapelte sie auf ihrem Schreibtisch und kramte gerade in einer der Schubladen nach einer Schnur, als ihr der Satz einfiel, nach dem sie vorher vergeblich gesucht hatte.
      »Prickeln im Finger, ...«, sie hielt inne, und laut wiederholte sie den zweiten Teil des Sprichworts:»... verheißt Gutes dir nimmer.«
     
    »Kann der Vogelmann fliegen?«
      »Natürlich nicht, du dumme Kuh.« Rosa fragte sich, ob sich Guy seinen Mitschülern gegenüber ebenso herablassend verhielt, und hoffte, daß ihm jemand den Kopf zurechtrücken würde, wenn das der Fall wäre. »Menschen können nicht fliegen.«
      »Warum nennt man ihn dann den Vogelmann?« beharrte Kathy.
      Guy brauchte für seinen herablassenden, ältlichen Seufzer so lange, daß Rosa ihm zuvorkommen konnte. »Weil er ein leidenschaftliches Interesse an Vögeln und ihren Gewohnheiten hat. Und daran, sie mit Menschen zu vergleichen.«
      Kathy erwiderte: »Man kann Menschen nicht mit Vögeln vergleichen. Sie sind vollkommen unterschiedlich.«
      »Oh, da wär' ich mir nicht so sicher.« Guy hatte beschlossen, seinen Seufzer zugunsten des unmittelbaren Genusses abzukürzen, den eine schlagfertige Antwort ihm einbrachte. »Beide haben zwei Beine, und einige Menschen, die nicht mal 'ne Million Meilen entfernt von hier leben, haben vogelähnliche Gehirne.«
      »Wart' nur, bis ich erst zwölf bin. Dann wirst du nicht mehr so mit mir reden.«
      »Schlecht geschaltet, Spatzenhirn. Wenn du zwölf bist, werde ich siebzehn sein.«
      »Du lügst! Du lügst! Oder, Mom?«
      Guy lachte. Leo raschelte mit

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