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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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den Boden aus. Obwohl sie alles bestellen müßte, und es zweifellos Wochen dauern würde, bis das Material einträfe, hatte sie zumindest einen Anfang gemacht.
      Die Vorhänge hätte sie telefonisch bestellen können, doch sie beschloß, zur Designer's Guild zu fahren und gleichzeitig die Muster zurückzugeben. Auf dem Rückweg könnte sie dann Farbe kaufen. In ihrem großen Adreßbuch müßte die Telefonnummer eines freischaffenden Designers und dessen Tochter stehen, die im vergangenen Sommer das Obergeschoß des Nachbarhauses perfekt gestrichen hatten. Wahrscheinlich waren sie für die nächsten Monate bereits ausgebucht, aber es war einen Versuch wert.
      Sie setzte sich an ihren Schreibtisch, holte das Buch aus der Schublade, schlug es bei M, dann bei D auf und suchte schließlich unter F - Freischaffend - nach. Sie hatte kein Glück. Wahrscheinlich hatte sie ihn dummerweise unter seinem Namen eingetragen, den sie natürlich prompt vergessen hatte. Sie seufzte. Es war ein dickes Buch, in dem sie jede Adresse und Telefonnummer verzeichnet hatte, die ihr je von Nutzen sein könnte. Freunde (diese Eintragungen gingen Jahre zurück), Verwandtschaft, Geschäftsadressen. Sie fing auf der ersten Seite an und war gerade bis Arundell (Fran) gekommen, als das Telefon klingelte. Verdammt. Das hieß, daß sie Mrs. Jollit nicht mehr umgehen konnte. Sie lief nach unten.
      »Hallo, Rosa.« Sie schwieg, konnte nicht antworten. »Es war gestern nicht besonders nett von dir, das Gespräch zu unterbrechen.«
      »Das stimmt nicht - das war nicht ich.«
      Es freute sie, daß ihre Stimme so ruhig klang. Nichts darin ließ auf den Aufruhr schließen, der in ihrem Magen herrschte. Oder darauf, als wieviel bedrohlicher sie es empfand, mit ihm zu reden, wenn sie allein war.
      Was hatte sie gestern beschlossen? Daß sie versuchen würde, ihm zu helfen? War das nicht ihre Aufgabe? Aber was konnte sie schon tun? Psychisch gestörte Menschen brauchten professionelle Hilfe. Und Duffy hatte gemeint, dieser Mann hätte zum Arzt gehen müssen, wenn ihm tatsächlich an Hilfe gelegen wäre. Aber vielleicht hatte sein Arzt ja kein Verständnis für seine Probleme, und es fiel ihm leichter, mit einer Fremden darüber zu reden. Währenddessen hatte der Wortschwall am anderen Ende der Leitung nicht aufgehört. Sie konnte nicht einmal die einzelnen Silben unterscheiden. Es kam ihr vor wie ein Strom von samtweichen Einflüsterungen.
      Der weiße Hörer drohte ihr aus der Hand zu rutschen. Gelegentlich drang eine Phrase durch den Nebel an ihr Ohr: »Dienst an der Menschheit... eine absolute Null... Dinge in Ordnung bringen ...«
      Und dann das erste Anzeichen dafür, daß wieder Leben in sie kam: ein Prickeln in den Fingerspitzen. Sie knallte den Hörer auf die Gabel und ging in ihr Arbeitszimmer zurück, ohne auf den Ruf aus dem Erdgeschoß zu achten, der wohl soviel wie »Guten Morgen« heißen sollte.
      Sie ging im Zimmer umher und griff hastig nach den Textilmustern und ihrer Handtasche. Sie mußte an die frische Luft. Mußte in Geschäfte gehen, mit ruhigen, vernünftigen Menschen ruhig über vernünftige Dinge reden. Wie viele Orangen machen ein Pfund, und ist das englische Lammfleisch schon ausverkauft? Guy brauchte unbedingt ein Paar graue Socken. Beim Griechen müßte es eigentlich frischen Koriander geben. Dann, auf ihrem Weg durch die Diele, hielt sie inne.
      Er hatte sie zu Hause angerufen. Aber sie stand nicht im Telefonbuch. Wie leicht konnte man eine solche Nummer in Erfahrung bringen? Sie wußte, daß es Journalisten gelegentlich gelang, aber es war ihr nie in den Sinn gekommen, sie zu fragen, wie sie vorgegangen waren. Sie ging ins Wohnzimmer und nahm den Hörer von der Gabel, dies jedoch mit solchem Widerwillen, als sei er noch immer in der Leitung und warte auf ihre Stimme. Dann dachte sie, wie anfällig sie doch war. Sie hatte Angst, ihr eigenes Telefon zu benutzen. Sie wählte die Nummer der Auskunft, gab ihren Namen und ihre Adresse an und fragte nach der Telefonnummer. Nach einem kurzen Zögern sagte das Mädchen : »Tut mir leid, aber diese Nummer darf ich Ihnen nicht geben.«
      »Aber es ist wirklich dringend.«
      »Ich fürchte, wir können Ihnen da nicht weiterhelfen.«
      »Ich muß einfach mit Mrs. Gilmour sprechen. Es ist ungeheuer wichtig. Absolut unerläßlich.«
      »Wir dürfen diese Nummer unter keinen Umständen herausgeben. Es tut mir leid.«
      »Nicht einmal an die

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