Der Neid eines Fremden
veränderten Gesichtsausdruck sah, lenkte er ein: »Okay. Okay. Laß es gut sein.«
Duffy sah über die Schulter zurück, als sie das Büro verließen. Toby, der wieder hinter dem Schreibtisch Platz genommen hatte, sah aus wie ein unbekannter, wenig erfolgreicher Schauspieler, dem soeben die Hauptrolle in einem Spielberg-Film angeboten wurde. Er würde nicht so schnell lockerlassen. Duffy wiederum hoffte, daß der Mann nicht wieder anrufen würde.
»Mom?«
»Hm?«
»Wenn du Guy oder mich weggeben müßtest, für wen würdest du dich dann entscheiden?«
Rosa wünschte sich, daß Leo sich etwas mehr oder überhaupt am morgendlichen Ritual beteiligen würde. Sie mußte sich ohnehin schon darum kümmern, daß das Frühstück zubereitet und serviert würde, die Kinder die richtigen Schulbücher mitnahmen und ihre Kleidung einigermaßen in Ordnung war, und jetzt sollte sie zusätzlich noch unsinnige Fragen beantworten. An diesem Morgen war irgend etwas anders als sonst. Obwohl alles so normal zu sein schien. Die Kinder konnten sich nicht entscheiden, ob sie kichern oder quengeln sollten. Die Times war aufgeschlagen und kam somit ihrer üblichen Abschirmungsfunktion nach. Das Durcheinander auf dem Tisch unterschied sich nicht von anderen Tagen. Madgewick räkelte sich majestätisch in seinem Körbchen neben der Anrichte. Man kam sogar in den Genuß einer blassen Novembersonne, die dem Geschirr auf der Anrichte einen kühlen Glanz verlieh. Aber all dies hatte nicht die übliche Wirkung auf Rosa. Statt ihr, wie üblich, als Sprungbrett für ihren Tag zu dienen, begannen Leos Gleichgültigkeit und das Gezänke der Kinder sie zu reizen.
»Wie kommst du darauf?«
Kathy erwiderte: »Wir alle fragen unsere Eltern danach. Ich hätte dich schon gestern fragen sollen, aber ich hab's vergessen.«
»Ich würde "mich nicht entscheiden können. Ich hab' euch beide gleich gern.«
»Das sagen alle Eltern. Außer Franscescas.«
»Und was haben ihre Eltern gesagt?«
»Sie haben gesagt, sie würden sich für Francesca entscheiden, denn sie hätten sie viel lieber als ihren großen Bruder oder das neue Baby oder alle anderen Kinder auf der Welt.«
Rosa lächelte. »Haben sie das wirklich gesagt?«
»Aber keiner hat ihr geglaubt. Sie erzählt immer solche Lügen.« Kathy sah Guy herausfordernd an, doch der füllte auf dem Corn-flakespaket einen Bestellschein aus und hörte nicht zu. Rosa fragte sich, welche Werbesendung demnächst im Briefkasten sein und auf dem Berg landen würde, den die vier Wände seines Zimmers gerade noch fassen konnten. Zum ersten Mal fühlte sie sich nicht veranlaßt nachzufragen.
»Vergiß nicht, einen Apfel mitzunehmen.«
Die Kinder rutschten von ihren Stühlen. Der von Kathy schabte über die gelbbraunen Riesen. Die Times wurde auf halbmast, dann zögernd auf Tischhöhe gesenkt. Leo nahm die Zeitung nie mit zur Arbeit. Während des Tages hatte er keine Zeit zum Lesen, und Rosa hatte den Verdacht, daß er oft ohne Mittagessen bis zum Abend durcharbeitete. Wenn er dann nach Hause kam, war er zu müde, um etwas anderes zu tun, als sich zu entspannen, zu essen und sich auf halbherzige Weise mit den Kindern zu unterhalten. Sie verhielt sich also ziemlich selbstsüchtig, wenn sie ihm die relativ ruhige Zeitungslektüre am Frühstückstisch mißgönnte. Aber sie wollte, daß er spürte, wie anders dieser Morgen war. Er sollte wissen, daß nicht alles in Ordnung war.
Jetzt beugte er sich über sie und küßte sie zwischen Augenbrauen und Ohr. »Fährst du heute zum Sender? Oder ist Michael Kelly an der Reihe?«
»Ich bitte dich, Leo.« Rosas Karussell lief jetzt bereits seit zwei Jahren, und er hatte immer noch keine Ahnung, wie ihre Woche eingeteilt war. »Mittwochs bin ich nie beim Sender.«
»Schon gut. Tut mir leid.« Er hockte sich, so daß ihre Gesichter auf gleicher Höhe waren. »Was ist los mit dir?«
Offensichtlich hatte er ihre Unterhaltung von gestern abend vollkommen vergessen. Sie hatte gewartet, bis die Kinder im Bett waren und den Anruf erst erwähnt, als er auf der Couch schon fast eingeschlafen war. Den ganzen Abend hatte sie daran gedacht, und das schien ihre Angst so gesteigert zu haben, daß sie völlig angespannt war, als sie das Thema aufbrachte. Leos Antwort hatte sie schockiert, obwohl ihr gesunder Menschenverstand ihr sagte, daß sie hätte beruhigt sein sollen. Er hatte fast beiläufig reagiert.
»Du
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