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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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eine seltsam friedliche Andersheit geglitten, und die Stürme der Draußenwelt und die hektische Unruhe in Dawinno-Stadt erschienen ihm nun wie Trugbilder aus einem andren Leben. Doch schließlich kam der Tag, an dem Nest-Denker ihm eröffnete: »Heute trittst du vor die Königin. Folge mir!«
    Sie stiegen gemeinsam die schmale Spiralrampe hinab, deren erdige Fläche durch generationenlange Abnutzung durch Myriaden von Füßen spiegelblank poliert war. Hresh überlegte, ob unter diesen Füßen auch welche gewesen waren so wie die seinen. Er zweifelte daran. Höchstwahrscheinlich waren nur die harten Schabekrallen der Hjjks jemals vorher hier entlanggeschlittert.
    Abwärts und hinunter und immer tiefer hinab gingen sie. Der Schacht stieg wie ein Schneckenbohrer-Loch hinab durch die Tiefen der Zeit. Scharfe unbekannte Gerüche drifteten zu Hresh herauf. Ein pulsierendes Schwarzlichtglühen war die einzige Beleuchtung.
    Je tiefer sie gelangten, desto rascher kamen sie voran. Der langbeinige Nest-Denker schlug eine unerbittlich rasche Gangart ein, und es wurde Hresh beinahe schwindlig, als der Schacht sich immer tiefer und tiefer spiralig senkte. Doch da war eine unbekannte Kraft, die ihm die Seele stützte und stärkte. Vielleicht kam sie ihm vom Nest-Denker, vielleicht gar von der Königin selbst zu.
    Und dann erreichten sie schließlich das Allerheiligste.
    Es war eine länglich-ovale Kammer mit hoher Tonnendecke. Anstatt der Dachsparren trugen hier hexagonale Kassetten das Gewölbe, die so meisterlich zusammengefügt waren, daß man den Eindruck bekam, sie müßten auch dem heftigsten Erbeben der Erde standhalten können. Am einen Ende der Kammer – da, wo Nest-Denker und Hresh eingetreten waren – standen die Leibdiener der Königin auf einem Podium dicht geschart, und ihre Waffen starrten auswärts. Den restlichen Raum in der Kammer nahm die Königin ein, und sie füllte ihn völlig von einem Ende zum anderen, von Wand zu Wand aus.
    Sie war ein Koloß, ein schlauchartiges fleischiges Behältnis, schwammig-schwabbelig und rosig, überhaupt nicht irgendwie hjjkartig: ohne Augen, ohne Kneifschnabel, ohne Gliedmaßen… ohne irgendwelche Individualcharakteristika. Dennoch spürte Hresh, daß er sich in der Gegenwart einer außergewöhnlichen Wesenheit befand, einer Gewalt von solcher Macht und Stärke, daß er Mühe hatte, nicht ehrfürchtig vor ihr auf die Knie zu fallen.
    Und dabei war die da bloß eine Unter-Königin, soweit er wußte. Eine Untergebene der Großen Königin-der-Königinnen.
    Der einzige Laut im Raum war Hreshs eigener Atem. Er stemmte sich die Hände in die Flanken und grub sie tief ins Fell, um sein Zittern unter Kontrolle zu bringen. Die Königlichen Wachen kamen dicht an ihn heran, umringten ihn von allen Seiten, bedrängten ihn hart mit ihren starren Leibpanzern und ihren borstigen Gliedmaßen. Ihre Klingen pieksten sacht seine Haut. Wenn er auch nur die kleinste unerwartete Bewegung machte, würden die Schneiden tief in ihn eindringen.
    Eine Stimme wie eine furchtbare Glocke sprach dröhnend in seinem Gehirn.
    »Du hast den Fokalkontakter bei dir?«
    Auf irgendeine Weise verstand Hresh, daß die Königin von seinem Barak Dayir sprach.
    »Ja.«
    »Setze ihn ein.«
    Er holte den Wunderstein aus dem Beutel. Er fühlte sich in der Hand an, als brenne er. Ihn überlief aus tiefstem Innern ein Furchtschauder, doch wirkte dem sofort eine ausgleichende Wärme entgegen, die von der Königin auszugehen schien.
    Hresh holte tief Luft und ging die Verbindung mit dem Zauberstein ein.
    Sofort kommt ein Donnerschlag, oder ein Knall, als bräche die Welt aus ihren Angeln. Sein Bewußtsein schießt im Flug über einen riesigen Abgrund hinweg. Als hätte er sich aufgelöst und führe mit einem Sturm dahin. Es ist ihm unmöglich zu erfassen, wo er sich befindet oder was mit ihm geschieht; er hat nur ein Gefühl von Unermeßlichkeit, in der eine andere Unermeßlichkeit umfangen ist, und irgendwo tief darinnen brennt ein Feuerkern mit der Gewalt von zehntausend Sonnen.
    Hresh ist sich der Anwesenheit von Nest-Denker, der Nähe der Leibwachen der Königin, ja nicht einmal seines eigenen Körpers noch klar bewußt… Da ist nur diese Unermeßlichkeit, und sie umfängt ihn ganz.
    »Was bist du?« fragt er.
    »Du kennst mich unter dem Begriff Königin-der-Königinnen.«
    Und Hresh begreift. Er ist in der Königin, und nicht etwa jener kleineren des Nests, das er kennengelernt hat. Alle Nester sind verbunden; alle

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