Der neue Herrscher
Eines Tages wird sie wohl nur noch von Ratten und Gewürm bewohnt sein und von schwarzen Vögeln«, mutmaßte Luxon, der die Vergänglichkeit der Schönheit sehr genau kannte.
»Achars Rachetempel wird, fürchte ich, bestehen bleiben.«
Luxon lachte bitter auf.
»Wenn wir längst nicht mehr leben, mein Freund, werden die Wellen des Westmeers auch diesen Turm unterspülen und umwerfen!«
»Kin Problem, das unsere Nachkommen beschäftigt«, fügte Gamhed hinzu. Wieder schwiegen sie nachdenklich.
Der Kriegsherr Logghards erinnerte sich an den Tag, an dem die Mumie von Luxons Vater Rhiad wieder in die Reihe der Grabmäler zurückgebracht worden war, in denen die verstorbenen und legendären Shallade lagen.
»Von unseren Truppen in Hadam… was sagen die Kuriere?«
»Der Hafen und einige Teile des Palasts, der geräumt wird, sind noch Zonen des Lebens. Du weißt, daß sich die ayischen Magier Moihog und Daerog inmitten der Ay-Krieger dort befinden, und sie werden dort bleiben, bis du andere Anordnungen triffst.«
»Gut«, murmelte Luxon.
Die Magier besaßen die Similisteine, deren Magie Luxon geschützt und seinen Sieg ermöglicht hatte. Den wahren DRAGOMAE-Kristall aber, der sich darunter befand, hatte Necron an sich genommen, und keine Macht der Welt konnte ihn dazu bewegen, ihn wieder herzugeben. Necron! Alptraumritter, Augenpartner und Gefährte zahlloser Abenteuer! Er würde an der Feier der Sieben Tage nicht teilnehmen.
Ausgerechnet er!
Gamhed schien Luxons Gedanken erraten zu können, denn er sagte mit mildem Spott:
»Die Tage deines wilden Lebens sind vorbei, Luxon! In jeder Stadt eine Geliebte, in jeder Schenke ein Trunkenbold, immer gut für eine verschlagene List. Tausende Augen beobachten den Shallad. Nimm Abschied von diesem Leben, denn es wird sich ändern. Deine Schultern werden krumm unter der Last der Verantwortung!«
Luxon wirbelte herum und verschüttete etwas von dem Wein.
Nicht ohne zornige Härte in der Stimme und mit trotzigem Gesichtsausdruck stieß er hervor:
»Eines verspreche ich dir, Gamhed. Und ich schwöre es auch jedem einzelnen Mann im Shalladad: ich werde nicht auf meinem gepolsterten Thron verdorren! Ich bin der Mann der vielen Masken, und ich habe nichts verlernt. Ich werde wie Arruf seinerzeit durch die Gassen gehen, werde meinen Untertanen aufmerksam zuhören und mit ihnen zusammen auf den jungen Shallad schimpfen.«
»Und mit ihren Töchtern und Mägden tändeln, wie ich zu wissen glaube«, murmelte Gamhed kopfschüttelnd.
»So sei es!« stimmte Luxon zu. Er begegnete einem außerordentlich deutlichen Blick des Unglaubens.
»Die Wirklichkeit wird dich einholen und dich eines Besseren belehren«, versprach ihm der alte Kampfgefährte. »Oder, in deinem Sinn, eines Schlechteren.«
»Abwarten«, brummte Luxon. Gamhed hatte eine empfindliche Stelle getroffen. Rasch lenkte Luxon die Unterhaltung wieder auf einen Pfad, der ihm angenehmer und weniger zweifelbeladen war. Zusammen mit Gamhed und einigen Vorstehern der Zünfte, einigen Beratern und den Hauptleuten der Stadtsoldaten besprachen sie weitere Einzelheiten des siebentägigen Festes.
Jeder Tag der Feierlichkeiten versinnbildlichte einen Fixpunkt des Lichtboten, und es wäre ein grober Verstoß gegen den Glauben und die Sitten gewesen, diese Regeln nicht einzuhalten.
Ein weiterer Tag verging.
Die Stadt und die leeren Flächen entlang der Straßen, die Täler und die Ufer der Seen rundum füllten sich mit Zelten. Logghards offene Tore ließen unterschiedslos einen jeden ein. Abordnungen erschienen mit großen, verhüllten Krönungsgeschenken. Luxon wurde, wenn er den Palast verließ und mit wenigen Getreuen durch die Gassen und über die Plätze ging, bejubelt und gefeiert.
Aus den Schenken wallte der Rauch zahlloser Feuer auf. Bratenduft und Weingeruch durchzogen Logghard wie die Klänge der Saiten und das Gelächter unendlich vieler Menschen. Man sah fremde Trachten, häßliche Bettler ebenso wie schöne Frauen, steife Vertreter fremder Gesandtschaften und farbenprächtige Kaufleute aus allen Enden des Reiches. Aber ihnen allen, trotz der oft großen Unterschiede, war eines gemeinsam: Sie waren entspannt, lachten und scherzten, und viele von ihnen waren schon am Mittag trunken von Wein und Fröhlichkeit.
Der Palast an der Mauer zum Grabmal des Lichtboten war gesäubert und geschmückt worden. Nur wenig von der Ausstattung des Hadam-Palastes fand sich hier wieder; das meiste hatte Luxon in Hadam einschmelzen und
Weitere Kostenlose Bücher