Der neue Herrscher
ich gehen. Ebenso still, wie ich gekommen bin.«
Luxon mußte sich sagen, daß sie nicht unrecht hatte. Aber der Grund lag tiefer. Außer ganz wenigen Vertrauten und natürlich Necron wußte niemand, daß er, Luxon, zu den Alptraumrittern gehörte. Erst vor kurzer Zeit war Prinz Odam an ihn herangetreten und hatte ihm die Botschaft von Shaer O’Ghallun überbracht.
Du sollst genügend Zeit haben, deine Herrschaft zu gründen. Aber niemals sollst du deinen feierlichen Eid vergessen. Du, Alptraumritter Luxon, sollst mit Schwert und Magie gegen die Dunkelmächte kämpfen, selbst dann, wenn es die Geschäfte deiner Herrschaft stört! Denke stets an dein Versprechen!
Luxon hatte nicht die Absicht, seinen Schwur zu brechen. Aber er wußte, daß es Zeiten geben würde, in denen beides schwer oder gar nicht miteinander zu vereinbaren sein würde.
Er faßte die bebenden Schultern des Mädchens und zog Shiran zu sich aufs Lager herunter.
»Weine nicht«, sagte er eindringlich. »Auch wenn es einen Abschied geben muß, sollst du nicht traurig’ von mir weggehen.«
»In zwei Tagen brechen die Feiern der Sieben Tage an!« schluchzte sie und beruhigte sich nur langsam.
»Richtig. Alle wissen es. Was willst du damit sagen?«
»Wenn der erste Tag anfängt, wirst du mich nicht mehr sehen.«
»Du willst es wirklich so?« fragte er, seltsam berührt. »Ich kann dich nicht begreifen, Shiran.«
»Denke nicht darüber nach«, sagte sie und küßte ihn mit verzehrender Wildheit. »Ich gehe meinen Weg allein weiter.«
Er überließ sich gern ihrer Leidenschaft. Aber immer wieder kreisten seine Gedanken um das Geschehen der nächsten Tage und um die gewaltige Aufgabe, die vor ihm lag. Seine Freunde unterstützten ihn zwar – aber das machte den gewaltigen Berg von Problemen und Fragen nicht geringer.
Die Magier, die das Grabmal des Lichtboten hüteten, unterstützten ihn ebenso wie die Chronisten.
Der Kriegsheld von Logghard, Gamhed der Silberne, wachte mit seinen Männern sowohl über Luxon und den Palast als auch über die Ruhe in der Ewigen Stadt. Luxon fühlte sich absolut sicher.
Was ihm selbst an der Seite Mythors nicht gelungen war, nämlich den Lichtvorhang am Grabmal des Lichtboten unbeschadet zu durchschreiten – jetzt hatte er es geschafft. Für ihn und alle Loggharder war es ein wichtiges Omen, daß er der rechtmäßige Shallad war und die wahre Inkarnation des Lichtboten.
Auch diese Wahrheit hatte sich in Windeseile überall herumgesprochen.
In der Morgendämmerung schliefen Shiran und Luxon ein. Als er später aufwachte, hatte sie ihn verlassen. Aber er wußte, daß sie in der Nacht vor seiner Krönung wiederkommen würde.
*
Gamhed hob den halbgefüllten Pokal. Tief dunkler Wein war darinnen, mit eiskaltem Quellwasser gemischt, das einen Geruch nach Rosenblättern verströmte. Sein markantes Gesicht verzog sich zu einem knappen Lächeln, als er ausführte:
»Die Gassen, die Schenken und Herbergen und die Zeltlager vor den Mauern füllen sich mit begeisterten Menschen aus allen Teilen des Landes, Luxon.«
Die Sonne brannte senkrecht auf die Stadt herunter. Die Neue Flamme hatte ihr Leuchten in diesem Licht eingebüßt, aber man sah die erhitzten Luftmassen um den Schaft der Flamme herum flimmern.
»So soll es sein«, stimmte Luxon zu. »Ich weiß, daß nicht alle Länder des Shalladad mit Abordnungen vertreten sein werden.«
Lange hatten sie überlegt, ob die Krönungsfeierlichkeiten mit dem größten möglichen Pomp und Aufwand durchgeführt werden sollten oder ob der neue Shallad sich als sparsamer Herrscher einführen sollte. Alle Berater und zum Schluß auch Luxon, der trotz seiner schweren Bürde der Fröhlichkeit nicht entsagen wollte, waren sich schließlich einig geworden:
Eine heitere, große Feier, aber keine Verschwendung. Es würde für jeden gewürzten Braten geben, frisches Brot und Wein, ebenso wie Früchte, Würste und Gesottenes. Schon heute saßen an den Brunnen und den Straßenecken die Barden und die fahrenden Musikanten, und um sie herum scharten sich Kinder, Frauen und Männer, die ihren Liedern und Versen begeistert zuhörten.
»Was bringen die Boten an Neuigkeiten?« wollte Luxon wissen und blickte, die Ellbogen aufgestützt, über den Rand seines Bechers hinüber zur aufragenden Mauer.
»Hadam wird mehr und mehr zu einer toten Stadt, zu einer Niederlassung der umherirrenden Geister«, faßte der Silberne zusammen.
»Die Stadt des alten Shallad hat ihre Bedeutung verloren.
Weitere Kostenlose Bücher