Der neunte Buddha - Thriller
wie zusammengeklebt.
»Sie können hier nicht liegenbleiben, Sahib! Sie müssen aufstehen!«
Eine letzte Anstrengung, und seine Augen öffneten sich ohne Schmerz. Der Mönch war fort. Lhaten, der Junge, der ihn bedient hatte, beugte sich mit angstvollem Gesicht über ihn. Er selbst lag ausgestreckt auf dem Boden seines Zimmers.
»Der Mönch hat mir gesagt, ich würde Sie hier finden, Sahib. Was ist passiert?«
Christopher schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können. Er glaubte, er habe Watte unter der Schädeldecke. Watte, von Eisendraht durchzogen.
»Ich weiß nicht«, sagte er. »Wie lange liege ich schon hier?«
»Nicht lange, Sahib. Zumindest denke ich das.«
»Lhaten, steht die Polizei noch vor der Tür?«
»Nur ein Mann. Es heißt, er wartet auf Sie. Haben Sie etwas verbrochen, Sahib?«
Wieder schüttelte er den Kopf. Die Watte fühlte sich jetzt eher an wie Zement.
»Nein, Lhaten. Aber das ist nicht leicht zu erklären. Hilfst du mir hoch?«
»Natürlich.«
Der Junge legte einen Arm um Christophers Nacken und setzte ihn auf.
Mit seiner Hilfe schaffte es Christopher bis zum Stuhl. Er fühlte sich so schlapp wie nie zuvor. Ihm war, als hätte man ihm alle Luft aus den Lungen gepresst. Was immer der Mönch getan hatte, er war für kurze Zeit bewusstlos geworden, ohneernsthaft verletzt zu sein. Von derartigen Griffen hatte er schon gehört, sie aber noch nie in Anwendung erlebt.
»Weiß die Polizei, dass ich hier bin, Lhaten?«
Der Junge schüttelte den Kopf. Er war sechzehn, siebzehn Jahre alt. Nach seinem Akzent war er sicher Nepalese.
»Ich muss hier weg, ohne dass man mich sieht«, vertraute er dem Jungen an. »Kannst du mir dabei helfen?«
»Kein Problem, Sahib. An der Hintertür steht keiner. Aber wo wollen Sie hin? Die Polizei sucht überall nach Ihnen. Sie müssen etwas sehr Schlimmes getan haben.« Die Vorstellung schien dem Burschen zu gefallen.
Christopher wollte den Kopf schütteln, aber sein Nacken verweigerte ihm den Dienst.
»Ich habe nichts getan, Lhaten«, sagte er. »Ein Mann ist ermordet worden. Ich habe ihn gefunden.«
»Und jetzt denkt die Polizei, Sie haben ihn umgebracht?« Lhaten zog die Augenbrauen hoch und ließ einen Pfiff hören. Genau so reagierte William, wenn er verblüfft war, dachte Christopher bei sich.
»Genau. Aber ich war es nicht. Glaubst du mir?«
Lhaten zuckte die Achseln.
»Spielt das eine Rolle? Zweifellos war er ein schlechter Mensch.«
Christopher runzelte die Brauen.
»Nein, Lhaten, er war kein schlechter Mensch. Und es spielt eine Rolle. Es ist Dr. Cormac, der mich gestern Abend aufgesucht hat. Erinnerst du dich?«
Jetzt wurde Lhaten ernst. Er kannte Cormac. Der Arzt hatte ihn mehrfach behandelt. Er mochte ihn.
»Keine Sorge, Sahib. Ich bringe Sie hier raus. Aber Sie müssen irgendwohin.« Christopher schwankte. Er war nicht sicher, ob er dem Jungen trauen konnte. Aber er war jetzt ganz auf sich allein gestellt. Niemand in London würde für ihneinstehen. Niemand in Delhi würde zu seinen Gunsten eingreifen. Er brauchte die Hilfe des Jungen dringend.
»Lhaten«, sagte er und war sich bewusst, welches Risiko er einging. »Ich will fort aus Kalimpong. Ich muss Indien verlassen.«
»Natürlich. Sie können nicht in Indien bleiben. Wohin wollen Sie gehen?«
Wieder zögerte Christopher. Wenn die Polizei den Jungen verhörte …
»Sie können mir vertrauen, Sahib.«
Was erhoffte sich der Junge? Geld?
»Wenn es Geld ist, das du …«
»Ich bitte Sie!« Der Junge verzog gekränkt das Gesicht. »Ich will kein Geld. Ich will Ihnen helfen, das ist alles. Wohin wollen Sie gehen?«
Christopher wurde klar, dass er Zeit verschwendete. Die Polizei konnte jeden Augenblick hier sein, um seine Sachen noch einmal durchzugehen. Er vermutete, dass sie die zweite Durchsuchung vorgenommen hatte.
»Ich will über den Sebu-la«, sagte er leise. »Nach Tibet. Am liebsten möchte ich heute Abend aufbrechen, wenn das möglich ist.«
Lhaten starrte ihn entgeistert an. Es war, als hätte er gesagt, er wolle zum Mond fliegen.
»Sie meinen bestimmt den Nathu-la, Sahib. Der Sebu-la ist geschlossen. Das bleibt er auch den ganzen Winter lang. Selbst der Nathu-la und die Pässe danach werden geschlossen, wenn das Wetter umschlägt.«
»Nein, ich meine den Sebu-la. Ich muss über Lachen ins Tista-Tal und dann über die Pässe. Ich brauche einen Bergführer. Jemanden, der diesen Weg kennt.«
»Ihnen geht es wohl nicht gut, Sahib? Der Schlag gestern Abend
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