Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
die Aussicht, mich zu betrinken, sympathisch.
    Und es roch immer besser in der Küche, das musste man zugeben.
    »Mein Freund«, sagte Dimitri, während er unsere Gläser wieder einmal auffüllte, »es bedrückt dich etwas. Ich spüre es.«
    »Das Leben«, erwiderte ich ausweichend. »Die Welt. Alles ist eine Verschwörung, und wir stehen auf der falschen Seite.«
    Er schüttelte entschieden den Kopf. »Das ist ein alter Hut. Wissen wir alles schon. Da muss noch etwas anderes sein. Mein Freund Gunnar, du bist nämlich heute nicht einfach finster, wie es deine Art ist – du bist ein Schwarzes Loch. Ein Schatten in der Dunkelheit. Schwärzer als die Nacht. Dein Herz ist verzweifelt, ich kann es bis hierher spüren.« Er hob das Glas. »Erzähle es mir, was immer es ist.«
    Ich zögerte, aber schließlich erzählte ich ihm alles. Im Gegensatz zu Birgitta hörte mir Dimitri einfach nur zu, unterbrach mich nicht und ersparte mir ungläubige Zwischenrufe, sodass ich schneller fertig war, obwohl ich ihm den Sachverhalt weit ausführlicher darlegte.
    Danach waren wir beide wieder nüchtern.
    Dimitri pfiff durch die Zähne. Dann murmelte er eine Beschwörung, die, soweit mein Russisch reicht, irgendetwas mit der Mutter Gottes zu tun hatte. »Was für Verbrecher es gibt«, meinte er dann. »Ich fasse es nicht. Die Welt ist wirklich vollkommen wahnsinnig.« Sein Blick suchte eine der Ikonen und verharrte einen Moment darauf, wie immer, wenn er Trost finden wollte.
    Ich nickte. »Die Welt ist in den Händen Satans.«
    »Nein!« Dimitri schüttelte entschieden den Kopf. »Diesen Namen will ich in meiner Umgebung nicht hören. Außerdem stimmt es nicht. Glaub mir.«
    »Ich bin heute nicht in der Stimmung, über Glaubensfragen zu diskutieren«, erwiderte ich.
    »Das bist du nie.«
    »Also heute auch nicht.«
    »Von mir aus«, meinte er und drehte die Herdplatte ab.
    »Dann lass uns essen.«
    Wir aßen. Es gab Sauerrahm darauf, und es schmeckte gut, ungeachtet des Zustands der Welt. Wir kauten und hingen unseren Gedanken nach, bis Dimitri sich räusperte und nachfragte: »Habe ich das richtig verstanden? Die Polizei ist da hinein verwickelt?«
    Ich nickte kauend.
    »Und was heißt das? Es kommt immer vor, dass einmal ein Polizist Geld nimmt und dafür die Augen zumacht …«
    »Ich hab dir erzählt, dass sie den Reporter abgemurkst haben, der ihnen auf der Spur war«, sagte ich. »Offiziell war es ein Unfall. Und was hältst du davon: Am Freitagnachmittag landet Hungerbühl in Stockholm. Am Samstagmittag stürmt die Polizei mein Zimmer. Jetzt sag du mir, dass das Zufall ist.«
    »Scheiße«, meinte Dimitri. »Dann kann man ja nicht einmal mehr den Verbrechern trauen.«
    Er erklärte mir, dass er in der letzten Zeit vorwiegend für verschiedene Organisationen der Unterwelt gearbeitet hatte – die russische Mafia, die chinesischen Triaden, afrikanische Gangs, kolumbianische Kokainschmuggler, baltische Autoknackerbanden, jugoslawische Schutzgelderpresser, mit Heroin dealende Kosovo-Albaner und so weiter. »Keine großen Sachen. Die machen das meiste immer noch mit Fäusten und Kanonen. Ab und zu beschaffe ich ein paar Daten, oder ich bearbeite ein Foto digital, damit jemand ein Alibi hat. So was in der Art. Aber wenn die die Polizei gekauft haben, dann braucht bloß jemandem meine Rechnung nicht zu passen, dann nehmen die mich hoch.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Glaube ich nicht. Diese Banden, das ist alles Bodensatz. Das sind die ganz unten. Die Verbrecher, mit denen wir es hier zu tun haben, das sind die ganz oben. Die Leute, denen die Welt gehört.«
    »Meinst du?« Dimitri schöpfte sich den Teller wieder voll und tat einen Löffel Sauerrahm dazu – dann noch einen und noch einen, häufte sich gedankenverloren den Teller damit voll.
    Ich packte sein Handgelenk, als er zum fünften Mal aus dem Becher löffeln wollte. »Hallo? Wird das ein neues Rezept?«
    Er ließ den Löffel los, sah mich an. »Weißt du noch? Ich bin euch mal in Gamla Stan über den Weg gelaufen, Kristina und dir? Sie war ein kleines blondes Ding, schrecklich ernsthaft. Hatte eine riesige Eistüte in der Hand. Damals war sie – na? – vielleicht vier Jahre alt oder fünf. Wie alt ist sie jetzt?«
    »Vierzehn«, sagte ich.
    »Vierzehn? Unglaublich. Wie die Zeit vergeht.«
    Ich erinnerte mich nicht an diesen Vorfall. Wahrscheinlich weil ich, nachdem einige anfängliche Verstimmungen mit der Familie Andersson beigelegt worden waren, recht oft mit Kristina

Weitere Kostenlose Bücher