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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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habe Neuigkeiten, und es ist brandeilig.«
    »Ich bin in einer Besprechung, warte …« Rascheln, hallende Schritte, eine Tür schlug zu. »Okay, jetzt.«
    »Was war das für eine Besprechung?«
    »Nichts weiter. Das letzte Palaver vor der Nobelfeier.«
    »Verstehe.« Ich fischte die Autoschlüssel aus der Tasche. »Hör zu, ich habe gerade einen Anruf von Dimitri bekommen. Du weißt schon, mein russischer Computer-Wunderknabe. Er hat tatsächlich Kristinas Mobiltelefon aufgespürt, und wie es aussieht, ist es sogar noch in Betrieb.«
    Er schnappte nach Luft. »Heißt das, ihr könnt es anpeilen?«
    »Ja, so ähnlich.« Ich schloss mit der anderen Hand das Auto auf, blieb aber draußen stehen. Hans-Olof klang merkwürdig dünn und elektronisch; vielleicht würde ich drinnen keinen Empfang mehr haben. »Das Blöde ist, dass Dimitri extrem paranoid ist, was Telefonate anbelangt. Oder es hat einen anderen Grund, auf jeden Fall wollte er mir am Telefon nichts Genaueres verraten. Ich soll zu ihm kommen. Ich habe versucht, ihn zurückzurufen, aber er nimmt nicht ab.«
    »Und was heißt das?«
    »Das heißt, dass ich ihm verdammt noch mal nicht mehr sagen konnte, dass ich gerade dreihundert Kilometer weit weg in der Pampa stehe und ein verfluchter Schneesturm zwischen mir und Stockholm liegt.«
    »Wieso? Wo bist du denn?«
    »Unwichtig. Auf jeden Fall brauche ich Stunden, bis ich bei ihm bin, und womöglich stellt sich dann heraus, dass ich umdrehen und wieder hierher zurückfahren muss.« Ich musterte den Himmel, der hier draußen hell und luftig wirkte. Vielleicht war das Schlimmste schon überstanden. Trotzdem würde die Rückfahrt Zeit kosten, die ich nicht mehr hatte. »Pass auf, du musst zu Dimitri gehen und dir die Position zeigen lassen. Dann rufst du mich an und gibst sie mir durch.«
    »Gut, klar, mache ich. Wo wohnt er?«
    »In Hallonbergen, mitten im Zentrum.« Ich diktierte ihm die Adresse und ließ sie ihn zur Sicherheit noch mal vorlesen.
    In Hans-Olofs Stimme war auf einmal so etwas wie Zuversicht zu hören. »Alles klar. Finde ich. Ich brauche nur ein paar Minuten, um mich hier loszueisen, dann fahre ich sofort hin.«
    »Warte«, sagte ich, »so einfach ist das nicht. Dimitri macht nämlich nie auf, wenn es klingelt, und sein Name steht auch nirgends. Notfalls musst du bei jemand anders klingeln, um ins Haus zu kommen. Seine Wohnung ist im dritten Stock links, eine blaue Tür. Er kennt deinen Namen. Sag ihm, dass ich dich schicke. Und dass er ein blöder Hund ist!« Ich seufzte.
    »Nein, das sagst du ihm natürlich nicht.«
    Ich überlegte, was sonst noch wichtig sein mochte, und dabei fiel mir auf, dass es merkwürdig still blieb in der Leitung.
    »Bist du noch dran?«, fragte ich.
    Keine Antwort. Ich nahm das Telefon vom Ohr und betrachtete es. Das Display war grau und leer.
    Was hieß das jetzt schon wieder? Ich schüttelte das Teil, drückte den Einschaltknopf. Für einen müden Moment, so schwach, dass es kaum lesbar war, erschien die Anzeige Batterie erschöpft! Dann war wieder alles stumpf und tot.
    Auch das noch. Und das Ladegerät lag natürlich in der Pension.
    Ich musste unterwegs eines kaufen. Spätestens in Oskarshamn würde ich einen entsprechenden Laden finden. Ich hatte irgendwo gesehen, dass es Ladegeräte gab, um ein Mobiltelefon an der Buchse des Zigarettenanzünders im Auto aufzuladen. So eines brauchte ich, und zwar so schnell wie – Halt mal. Ich hatte ja überhaupt kein Geld mehr in der Tasche.
    Und nicht nur das … Ich betrachtete Dimitris Wagen. Dessen Tank war praktisch auch leer.
    Ich fluchte. Ich sah mich um, musterte die Einöde ringsum – nichts als Wald und Wiesen und eine schmale Straße –, überlegte fieberhaft, spürte die Zeit verrinnen und mein Herz schlagen. Ich fluchte noch einmal, stopfte das nutzlose Telefon in die tiefsten Tiefen meiner Tasche, sah auf den Fahrersitz hinab, rang mit dem Impuls, einfach einzusteigen und loszufahren, blindlings.
    Dann atmete ich tief durch und wandte mich ab. Ich sah zu Rune Kohlströms Haus hinüber. Es half nichts. Um Kristinas willen würde ich nicht darum herumkommen, meinen alten Peiniger um Geld zu bitten.
     
    Die Fahrt zurück nach Stockholm zog sich endlos hin. Der Sturm hatte aufgehört, die Straßen wurden geräumt, aber es herrschte viel mehr Verkehr als heute morgen, der aus unerfindlichen Gründen immer wieder ins Stocken kam.
    Kohlström hatte überhaupt nicht bemerkt, dass ich schon im Gehen begriffen gewesen war.

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