Der Nobelpreis
haben, die nicht mehr seiner Kontrolle unterlagen.
KAPITEL 14
Das Restaurant war nicht schwer zu finden. Im Tiefgeschoss eines schmalen, ockerbraunen Hauses unweit der alten Börse gelegen, war es eines der vielen kleinen Lokale, für die die Altstadt von Gamla Stan berühmt ist.
Natürlich war es, um seinem Namen gerecht zu werden, mit großen Abbildungen der Tarotkarten geschmückt. Über dem Eingang hing ein metallenes Schild, das die Karte DER NARR zeigte, auf der ein bunt gekleideter Wanderer, den Wanderstab über der Schulter, ein Blümchen in der Hand, verträumt in den Himmel schauend, geradewegs auf einen Abgrund zuspaziert. Über dem Tisch, zu dem man ihn führte, nachdem er nach »Bengt« gefragt hatte, hing die Karte GERECHTIGKEIT, was Hans-Olof als gutes Omen nahm. Ein streng dreinblickender Herrscher, das erhobene Schwert in der einen, die Waage in der anderen Hand, verhieß den Rechtschaffenen Genugtuung.
Der Journalist kam mit etwas Verspätung und nicht ganz so energiesprühend, wie Hans-Olof ihn von ihrer ersten Begegnung her in Erinnerung hatte. Genau genommen sah er aus, als habe er eine grauenhafte Nacht hinter sich. Oder mehrere. Und die ganze Zeit war er nicht dazu gekommen, einmal seine dicke Brille zu putzen.
»Lassen Sie uns erst bestellen«, meinte Nilsson nach einer knappen, fast geistesabwesenden Begrüßung. »Dann können wir reden.«
Hans-Olof wählte etwas, das gegrillter Lachs mit Gemüse zu sein versprach, Nilsson nahm das Tagesgericht, gegrillten Zander mit geriebenem Meerrettich und Kartoffelauflauf. »Und ein Färsköl. « So, wie er es sagte, klang es, als müsse er jeden Augenblick sterben, wenn er seinen Durst nicht umgehend mit starkem Bier bekämpfen konnte.
»So weit dieses, o Meister nächtlicher Beschlüsse«, meinte Nilsson, nachdem die Bedienung gegangen war, und breitete die Hände in einer raumgreifenden Geste über der blankgeputzten Tischplatte aus. »Was haben Sie mir zu erzählen?«
Hans-Olof sah sich skeptisch um. Ihr Tisch stand in einer runden Mauernische im hintersten Winkel des Lokals, aber das war gut besucht und um diese Zeit fast bis auf den letzten Platz besetzt. »Etwas, das nur für Ihre Ohren bestimmt ist«, sagte er. »Sind Sie sicher, dass uns hier niemand zuhören kann?«
»Absolut sicher«, nickte der strohblonde Journalist. »Ich habe es mit Freunden mehrfach ausgetestet. Wenn Sie nicht gerade brüllen, hört man am nächsten Tisch kein Wort mehr.«
Er griff in die Jackentasche und holte ein kaum zigarettenschachtelgroßes Plastikkästchen heraus. »Und für Lauscher, vor denen uns die Raumakustik nicht schützen kann, haben wir das hier.« Er legte das Gerät in die Mitte des Tisches, betätigte den einzigen Schalter daran, und ein grünes Licht leuchtete auf. »Sehen Sie? Sauber.« Er steckte es wieder weg. »Völlig illegales Teil, übrigens, jedenfalls hierzulande.«
»Sie machen so etwas öfters, wie es aussieht«, sagte Hans-Olof beeindruckt.
»So oft wie möglich«, nickte Nilsson, fuhr sich mit der Hand durchs widerspenstige Haar und warf seinem Gegenüber einen auffordernden Blick zu. »Also, Professor, Sie wollten mir erzählen, was sich bei der Abstimmung tatsächlich zugetragen hat.«
»Eher, was sich davor abgespielt hat.«
»Ich ahne Übles.«
»Man hat versucht, mich zu bestechen.«
Das entlockte dem Journalisten nicht einmal ein Muskelzucken. »Man?«, hakte er nach. »Wer?«
»Das weiß ich nicht. Der Überbringer des Geldes hat sich als Bote bezeichnet. Ich vermute, dass letztlich die Firma Rütlipharm dahintersteckt.«
Nilsson nickte, als sei das selbstverständlich. »Sie sagten, man hat versucht, Sie zu bestechen. Sie haben also abgelehnt?«
»Selbstverständlich. Ich habe auch sofort die zuständigen Stellen informiert.«
»Und dann?«
»Dann hat man meine Tochter entführt.«
Der Journalist starrte Hans-Olof wie vom Donner gerührt an. Einen Moment lang schienen ihm regelrecht die Worte zu fehlen. »Gott!«, stieß er schließlich hervor. »Das ist nicht wahr. Entführt?«
Hans-Olof beugte sich vor, um noch leiser sprechen zu können, und erzählte alles, was passiert war. Den ganzen Vormittag über hatte er überlegt, was er sagen sollte, hatte sich gefragt, ob er es fertig bringen würde, sein Geheimnis mit einem wildfremden Mann zu teilen. Doch nachdem er erst einmal angefangen hatte, kamen die Worte wie von selbst, ein ganzer reißender Strom davon. Es war eine Wohltat, sich endlich jemandem
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