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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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was das anbelangte.
    Ich konnte es kaum glauben. Wie um alles in der Welt bekamen diese Leute hier irgendwelche Daten in ihre Geräte hinein? Ich ging die umliegenden Büros ab; es war überall dasselbe. Das Internet, begriff ich. Sie kommunizierten nicht nur über das bürointerne, sondern auch über das weltweite Netz. Man verschickte heutzutage keine Disketten mehr mit der Post. Der einzige Computer, der über Laufwerke verfügte, war vermutlich der Server, der wer weiß wo stehen mochte. Es spielte auch keine Rolle; den Zugang zu einem Server zu knacken überstieg meine Fähigkeiten als Hacker sowieso bei weitem.
    Verdammt. Ich schaltete den Rechner wieder ab und sackte auf dem weichen Ledersessel in mich zusammen, starrte die diversen gerahmten Familienfotos auf dem blank polierten Schreibtisch an und merkte nach einer Weile dumpfen Grübelns, wie sehr ich Lust hatte, eines davon gegen die Wand zu knallen.
    Also doch der Safe. Zumindest versuchen musste ich es, wenn ich schon einmal hier war.
    Ich ließ mich ohne viel Hoffnung im Schneidersitz vor dem Schrankfach nieder, das den Tresor umschloss. Angesichts geistig anspruchsvoller Aufgaben ist es wichtig, auf ermüdungsarme Körperhaltung zu achten, erst recht in Fällen, in denen die Aufmerksamkeit durch grundlegende Zweifel geschwächt ist. Der Panzerschrank wies eine spaltfrei schließende Tür auf, deren Scharnierseite zusätzlich gesichert war, bot also keinen Angriffspunkt für Stemmeisen oder andere Aufbrechwerkzeuge. Das Schloss war zudem ein fingerdick vorstehendes elektronisches Zahlenkombinationsschloss. Mit dem guten alten Stethoskop würde ich hier nichts ausrichten. Und noch einmal hierher zurückzukommen, mit schwerer Ausrüstung, war riskant, selbst wenn es mir gelingen sollte, alle Spuren zu verwischen. Zumal ich besagte schwere Ausrüstung im Augenblick nicht besaß.
    Ich hätte es fast übersehen. Hätte ich nicht auf dem Boden gesessen, hätte ich überhaupt keine Chance gehabt, es zu entdecken. Aber auch so fiel mein Blick nur durch Zufall auf die dünne Kante eines kleinen Stücks Papier, das oben auf dem Tresor lag, in dem schmalen Schlitz zwischen der Oberseite des Stahlschranks und der Unterseite des Regalbretts darüber.
    Bingo. Ich fischte es heraus und ahnte dabei schon, was ich finden würde. Meine Ahnung trog nicht: Es war der Code des Safes, notiert auf der Rückseite einer Visitenkarte vermutlich des Technikers, der ihn montiert hatte.
    Nicht nur die Zeit ist auf meiner Seite, die Bequemlichkeit der Menschen ist es auch.
    Der Safe enthielt allerhand Papier von teilweise nicht gleich einsichtiger Bedeutung. Warum zum Beispiel verwahrte Doktor Reto Hungerbühl einen ganzen Stapel von Kreditkartenabrechnungen in seinem Safe? Es waren fast alles Hotelrechnungen, immer nur für eine Nacht, ungefähr im Abstand von zwei Wochen, immer in Uppsala. Eine heimliche Geliebte?
    Jede Wette. Jemand in dieser Position war es sich schuldig, eine Geliebte zu haben. Wahrscheinlich ein hübsches, junges Ding, das sich von einem Titel und einer dicken Brieftasche beeindrucken ließ. Wozu sonst war eine solche Stellung gut?
    Andere Mappen enthielten Interna: Bewertungen der Mitarbeiter etwa, teilweise mit bissigen Kommentaren versehen, Gehaltslisten, Korrespondenz mit der Zentrale in Basel, Personalfragen und Budgets betreffend. Das war schon interessanter. Ich prüfte die Unterlagen genau, aber so dreist, Kristinas Entführer direkt auf die Gehaltsliste zu setzen, war man dann doch nicht gewesen; ausnahmslos jeder Name auf der Liste fand sich auch im offiziellen Organigramm. Ich würde schon ein bisschen tiefer bohren müssen.
    Eine andere Mappe, eine aus gediegenem grünem Leder, enthielt vertrauliche Mitteilungen der Konzernzentrale an ihre Niederlassungsleiter. Oha. Ich rückte die auf meiner Brust hängende Taschenlampe zurecht und richtete mich auf eine interessante Lektüre ein.
    Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, beschäftigte sich der größte Teil der Schriftstücke mit dem Umstand, dass eine der Wissenschaftlerinnen des Konzerns mit dem diesjährigen Nobelpreis in Medizin ausgezeichnet werden würde. Es klang, als sei das alles völlig überraschend über Rütlipharm hereingebrochen und als habe niemand auch nur im Entferntesten mit einer solchen Entscheidung gerechnet.
    Nun ja. Ich hätte es an deren Stelle auch so aussehen lassen.
    Eine Reihe von Schreiben beschäftigte sich in von Woche zu Woche zunehmender Detailliertheit mit den

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