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Der Novembermörder

Der Novembermörder

Titel: Der Novembermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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Reserviertheit, beschloss aber so zu tun, als wenn nichts wäre. Fröhlich fragte sie: »Hallo, mein Schatz! Wo willst du denn hin?«
    »Raus.«
    »Ja, das sehe ich. Aber wohin?«
    Jenny seufzte genervt.
    »In den Jugendclub. Wir wollen proben.«
    »Die Band? ›White Killers‹?«
    »Ja.«
    »Willst du denn heute Abend nicht zu Hause bleiben? Wir wollen uns doch einen gemütlichen Abend machen und …«
    »Ihr wollt Wein trinken und was spachteln! Was soll denn daran so gemütlich sein? Ich will mich mit meinen Freunden treffen!«
    »Und Katarina …«
    »Sie ist mit ihrer Ju-Ju-Gruppe nach Uddevalla gefahren.«
    »Nach Uddevalla?«
    »Hast du vergessen, dass da morgen Wettkämpfe stattfinden? Komm gib’s schon zu, du hast es vergessen!«
    »Ja, kann schon sein …«
    Das hatte sie wirklich, der von-Knecht-Fall hatte diese Woche ihre gesamte Aufmerksamkeit beansprucht. Aber das war trotzdem kein Grund, zu vergessen, dass Katarina bei der Ausscheidung für die Landesmeisterschaften in Jiu-Jitsu mitmachen sollte. Aber Jennys Knutschfleck am Hals hatte sie nicht vergessen. So locker wie möglich fragte sie deshalb: »Kommt dieser Typ auch … wie heißt er noch …?«
    »Markus.«
    Reingefallen! Jenny wurde stinkwütend, als sie merkte, dass sie sich verplappert hatte.
    »Nun hör aber auf! Ich bin doch nicht einer deiner Ganoven, die du verhören musst, oder?«
    Vor Wut wurde sie laut. Irene fürchtete schon, die Nachbarn würden es hören. Besänftigend sagte sie: »Nein, nein. Sollen wir dich abholen?«
    »Nein!«
    »Dann bist du aber nicht später als zwölf zu Hause. Pünktlich! Könnt ihr zu mehreren zurückgehen?«
    »Ja, ja, ich hole noch Pia ab.«
    Das war beruhigend. Pia wohnte ein paar Häuser weiter. Sie war ein nettes, stabiles Mädchen, wie Irene fand. Der Jugendclub lag einen knappen Kilometer entfernt, das war nicht zu weit, um zu Fuß zu gehen. Aber dort wartete Markus. Irene musste sich eingestehen, dass da nichts zu machen war. Aber sie war beunruhigt. Viel zu schnell sagte sie: »Na, dann viel Spaß. Und wenn was ist, rufst du an, ja?«
    »Ja. Tschüss!«
    Ungeduldig befreite Jenny sich aus Irenes neuerlichem Versuch, sie zu umarmen. Sie verschwand in der Novemberfinsternis. Das gleiche Ohnmachtsgefühl, das Irene im Traum gehabt hatte, erfüllte sie jetzt ohne jede Vorwarnung. Nur mit größter Selbstbeherrschung widerstand sie dem Impuls, ihrer kleinen Tochter hinterherzulaufen.
     
    Im Haus roch es bereits sehr verlockend. Ihre Laune besserte sich und ihre Lebensgeister wurden sofort bedeutend munterer.
    »Hallo, Liebling. Heute Abend haben wir kinderfrei!«
    Krister steckte seinen Kopf durch die Küchentür. Sein Kuss schmeckte nach Meer und er roch nach Knoblauch.
    »Mh, sag nichts! Hast du gratinierte Krebse gemacht?«, seufzte Irene entzückt.
    »Ich muss es doch ausnutzen, dass wir allein sind. Aber ich habe nur einen kleinen Krebs genommen. Es soll ja nur die Vorspeise sein.«
    »Und als Hauptgericht gibt es etwas mit Knoblauch.«
    »Mmh, ja. Im Ganzen gebratenes Lammfilet, mariniert in Knoblauchöl mit Kartoffelscheiben und Pastinakenpüree. Dazu Tomatensalat mit Zwiebeln und Oliven. Zur Vorspeise trinken wir einen ganz normalen Freixenet und zum Lamm einen Rotwein; Baron de Ley, Reserva 1987. Rioja. Wie klingt das?«
    »Du rettest deine Frau vor dem Hungertod! Wann können wir essen?«
    »Du kannst vorher noch duschen.«
     
    Frisch geduscht und erholt, in einem sauberen himmelblauen Polohemd, das genau die gleiche Farbe wie ihre Augen hatte, nahm sie das herrliche Essen zu sich. Sie befolgten eine der strengen Regeln, die sie in ihrer Ehe eingeführt hatten: kein Gespräch über die Arbeit beim Essen. Statt eines Desserts tranken sie einen Kaffee mit einem Stückchen Schokolade dazu auf dem Sofa im Wohnzimmer.
    Sie bohrte ihre nackten Zehen in den weichen Gabbehteppich und seufzte vor Wohlbehagen. Konnte es was Schöneres geben? Sammie kam unter den Couchtisch gekrochen und versuchte ihre Zehen zu lecken. Am liebsten war es ihm ja, wenn sie warm und verschwitzt waren, aber in Ermangelung anderer nahm er auch mit frisch geduschten vorlieb. Irene lachte: »Hör auf, Sammie! Na, du willst auch ein bisschen Aufmerksamkeit haben, was? Wann warst du denn das letzte Mal draußen?«
    »Ich fürchte, das ist schon eine Weile her. Wir können ja noch eine kleine Runde drehen, wenn das Essen sich gesetzt hat. Es ist ja erst zehn.«
    Krister legte den Arm um sie und sie kuschelte sich an ihn. Er

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