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Der Novembermörder

Der Novembermörder

Titel: Der Novembermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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nur damit beschäftigt, so schnell wie möglich zu fahren, während sie gleichzeitig Ausschau nach ihren Kollegen von der Verkehrsabteilung hielt.
    Die Karte hatte sie vor ihrer Abfahrt in Göteborg studiert. Die Kirche von Holta sauste vorbei. Sie wusste, dass jetzt gleich eine Kreuzung kam und sie nach Tjuvkil abbiegen musste. Danach wurde sie unsicher und musste anhalten und die Karte herausziehen. Gerade als sie wieder losfahren wollte, kam ihr ein Wagen in hoher Geschwindigkeit entgegen. Eine Ahnung oder eher ein Instinkt, ließ sie die Karte vors Gesicht halten und über deren Rand spähen.
    Es war ein roter BMW. Und den fuhr Sylvia von Knecht. Sie würdigte den dunkelblauen alten Saab keines Blickes. Dagegen sah Irene sie umso deutlicher. Sylvia saß ganz vorn auf dem Sitz, mit geradem Rücken, den Blick auf die Straße konzentriert. Ruhig legte Irene den Gang ein und machte eine ebenso elegante wie unerlaubte Kehrtwendung. Sie versuchte ein oder zwei Wagen zwischen sich und Sylvia zu lassen. Es war einfach ihr zu folgen, da der Verkehr immer noch sehr dicht war.
    Sylvia fuhr die gleiche Strecke zurück nach Göteborg, die Irene gekommen war. Aber bei Olskroksmotoet bog sie zu den westlichen Stadtteilen hin ab. Västerleden. Wollte sie nach Västra Frölunda? Offenbar nicht, denn sie fuhr am Frölunda Torg vorbei und auch an der Abfahrt, die Irene immer nahm, um in ihre Reihenhaussiedlung zu kommen.
    Askim, Hovås, Skintebo. Jetzt wusste Irene, wohin die Fahrt ging. Sie ließ den Abstand zwischen sich und dem roten BMW größer werden. Sie fuhren an dem Ausfahrtsschild nach Kullavik vorbei, noch einige Kilometer weiter und bogen nach Särä ab. Ivan Viktors. Bei ihm wollte sie also übernachten. Der Kommissar hatte sich doch nicht geirrt, als er den Verdacht äußerte, dass Sylvia und Viktors den Sonntagabend zusammen verbracht haben konnten. Aber Sylvia war doch den ganzen Abend bei ihrer Mutter und ihrer Schwester gewesen. Und Viktors hatte einen Krankenbesuch gemacht. Wo war der Haken? Die Antwort war so einfach wie logisch. Sie hatten sich auf den falschen Abend eingeschossen. Es war nicht der Sonntagabend, sondern der Montagabend gewesen, den Sylvia und Ivan Viktors gemeinsam verbracht hatten.
    Sie war mit ihren eigenen Schlussfolgerungen so beschäftigt gewesen, dass sie fast alles verdorben hätte. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie wäre dem BMW direkt hinten draufgefahren, als dieser kurz anhielt, um nach Särö Västerskog abzubiegen. Schnell riss sie das Steuer herum und huschte links an Sylvias Wagen vorbei. Ihr Glück, dass kein Auto entgegenkam. Alles ging so schnell, dass Sylvia wahrscheinlich gar nicht gemerkt hatte, wer ihr da fast hinten draufgefahren wäre. Irene fuhr auf eine Ausweichbucht ein Stück entfernt. Im Rückspiegel konnte sie sehen, wie Sylvia in gemessenem Tempo zu Gustav V. Lieblingstennisplätzen hinunterfuhr. Irene machte erneut ein unerlaubtes Manöver, hatte es aber jetzt nicht mehr eilig, zu der kleinen Ansammlung von Häusern von der Jahrhundertwende zu kommen.
    Während der Achtzigerjahre waren auf den Wiesen neben den Naturreservaten große Villen gebaut worden. Aber entlang der schmalen alten Landstraße lagen ein paar prächtige alte Patriziervillen, mit Giebeln und Turm und einem zugewachsenen Garten. Irene fuhr fast bis auf hundert Meter heran, bevor sie ihren Wagen abstellte. Das Kinn in den hochgeschlagenen Kragen geschoben und mit Katarinas schwarzem Baseballkäppi auf dem Kopf war sie sicher nicht so leicht zu erkennen, falls Sylvia durch ein Fenster schaute. Es bestand nur das Risiko, dass sie die Jacke wiedererkannte. Aber höchstwahrscheinlich belastete sie ihr Gedächtnis nicht mit derartigen schäbigen Kleidungsstücken.
    Normalerweise gab es immer viele Menschen, die in diesem schönen Naturgebiet spazieren gingen. Im Sommer war ein Bad am Sandstrand sehr beliebt. Doch an einem feuchten Samstagnachmittag Ende November war das Gedränge nicht sonderlich groß. Irene war ganz allein. Sie hielt sich dicht an dem Buschbewuchs am Straßenrand und versuchte eins mit der Natur zu werden. Als sie jedoch die Hecke erreichte, die um den Garten des roten Backsteinhauses wuchs, musste sie sich schnell ducken und so tun, als binde sie ihre Schuhe zu.
    Sylvia entlud aus dem Kofferraum ihres BMW Unmengen von Taschen und Koffern und bepackte Ivan Viktors damit. Wollte sie bei ihm einziehen? Nach der Masse an Gepäck sah es ganz so aus. Das war ungefähr so viel, wie

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