Der Novembermörder
zusammen verbracht. Aber wenn du dich als Skinhead bezeichnest, Nazimusik spielst und das vertrittst, was die da behaupten, dann bist du meine Feindin und die meiner Kinder. Sogar ein Todfeind, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes! Denn wenn die Verfolgungen einsetzen, dann genügt ein Tropfen Judenblut in den Adern, damit man getötet wird. Und ich bin zu einem Viertel ein Jude, meine Kinder sind es zu einem Achtel. Wir haben keine Chance. Wir werden umgebracht.«
Jenny versuchte sich aufzuplustern und schrie ihn an: »So ein Blödsinn! Wir wollen euch doch nicht umbringen!«
»O doch, Jenny. Was singen sie da in den Liedern, die du so gern hörst? Wenn dir die Musik so gut gefällt, musst du auch zu den Texten stehen: ›Tod den Niggern und Juden! Wir kämpfen für ein sauberes, arisches Schweden!‹ Erkennst du die Schlagworte wieder? Und um noch deutlicher zu zeigen, auf welcher Seite du stehst, hast du dir auch noch den Kopf rasiert«, stellte er eiskalt fest.
»Das habe ich doch nur für die Band gemacht! Markus meinte, es wäre total geil, wenn ich mich auch trauen würde, mir die Haare zu ra… ra… rasieren!«
Das Letzte kam nur noch in einem langen Schluchzer. Sie sprang auf, rannte die Treppe hinauf und schlug die Tür hinter sich zu. Sie konnten hören, wie sie laut weinte. Sammie war aufgewacht, als sie davongestürmt war, und schaute sich verwirrt um. Er spürte, dass die Atmosphäre geladen war, überhaupt nicht mehr so gemütlich wie zu dem Zeitpunkt, als er eingeschlafen war. Krister beugte sich vor, stützte den Kopf in die Hände und stöhnte: »Mein Gott, das ist mit das Schlimmste, was ich je mitgemacht habe. Am liebsten wäre ich dazwischengegangen und hätte dich angeschrien, dass du aufhören solltest. Aber jetzt hast du die Entscheidung Jenny in die Hände gelegt.«
»Es ist nicht Jennys Fehler, es liegt an der Vergesslichkeit der Menschheit. Wir vergessen das, was wir vergessen wollen, mit der Folge, dass wir geschichtslos werden und nichts aus der Geschichte lernen. Das ist ein ewiger Kreislauf und alles wiederholt sich«, erklärte Tommy resigniert.
Irene hatte einen ganz trockenen Mund, als sie fragte: »Ist diese Geschichte denn wirklich wahr?«
»Jedes einzelne Wort. Willst du dir Jacobs Tagebuch ausleihen?«
Zögernd streckte sie die Hand aus und nahm das kleine Buch mit dem rauen Ledereinband entgegen. Aber sie öffnete es nicht. Unsicher sagte sie: »Mein Schuldeutsch ist nicht mehr so gut. Ich werde wohl kaum verstehen, was er geschrieben hat.«
Tommy lachte laut und warf ihr einen verschmitzten Blick zu.
»Nein, das wirst du sicher nicht. Denn Jacob hat sein Tagebuch in seiner Muttersprache geschrieben. Auf Polnisch.«
Jimmy Olsson wurde um zwei Uhr in dieser Nacht einer Notoperation unterzogen. Tagsüber hatte man bei einer Untersuchung eine kleine Blutung zwischen den Hirnhäuten entdeckt. Die war am Abend seiner Aufnahme noch nicht da gewesen. In der Nacht verschlechterte sich Jimmys Zustand rapide, nachdem er mit heftigen Kopfschmerzen aufgewacht war und danach Zeichen abnehmenden Bewusstseins gezeigt hatte. Seine Sprache war undeutlich geworden, und er hatte immer mehr dahingedämmert.
Sven Andersson machte einen ernsten Eindruck, als er von Jimmy Olssons plötzlicher Verschlechterung und der Operation berichtete. Außer ihm waren noch Tommy. Irene, Birgitta und Jonny im Zimmer. Der Kommissar sagte voller Mitleid: »Armer Kerl, offensichtlich hat ein Blutgefäß zwischen den Hirnhäuten Schaden genommen.«
Irene erschauerte. Tommy sagte wütend: »Das passiert, wenn jemand in der Wirklichkeit einen harten Schlag auf den Kopf kriegt. In den Filmen schütteln die Helden nur ihren Kopf, wenn sie einen Wolkenkratzer auf den Schädel gekriegt haben, stehen auf und bahnen sich elegant mit ihrem Maschinengewehr den Weg, während sie zwanzig Gangster umlegen!«
Jonny schnaubte: »Sag es doch lieber so: Das passiert, wenn man mit einem Frauenzimmer auf Erkundungstour geht. Es ist doch immer der Mann, der am meisten abkriegt, wenn es dazu kommt!«
Irene war vollkommen sprachlos, brauchte aber gar nichts zu erwidern. Überraschenderweise kam ihr der Kommissar zu Hilfe: »Wenn Irene nicht gewesen wäre, wäre Jimmy Olsson jetzt tot!«
»Dafür herzlichen Dank. Sie hat ihn schließlich erst in diese Lage gebracht! Keiner hat sie gebeten, nach Billdal rauszufahren. Die beiden Weiber haben Jimmy doch überredet, mitzumachen.«
»Die Weiber«, das waren Birgitta und
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