Der Novembermörder
tödliche Bombe wartet. Die die Person umbringt, die als Erste die Tür öffnen will. Und wer wird das aller Voraussicht nach sein?«
Sie sah ihre beiden Kollegen an. Beide boten ein Bild vollkommener Konzentration. Tommy antwortete nach einer Weile: »Sylvia von Knecht. Natürlich muss es Sylvia sein, die inspizieren will, was es in den Büroräumen zu erben gibt.«
»Genau! Und Sylvia von Knecht ist wohl die letzte Person auf dieser Erde, die Henrik umbringen will. Und wie ich schon mal gesagt habe, ist es ein Jammer, dass es keinen Hintereingang zur Wohnung gibt. Dann hätte er durch den Hintereingang reingehen und die Bombe entschärfen können. Aber wahrscheinlich traute er sich nicht, die Tür einen Spalt zu öffnen, um den Stahldraht vom Zündhütchen zu lösen. Deshalb entscheidet er sich stattdessen lieber dafür, eine unbedeutende graue Maus wie Pirjo zu opfern.«
Fredrik beugte sich eifrig über den Tisch vor, ohne zu merken, dass dabei sein Ärmel in einer Schale mit den Resten der süßsauren Soße landete. Aufgeregt sagte er: »Das passt zusammen mit dem, was wir heute rausgekriegt haben! Henrik von Knecht kennt Pirjos Arbeitszeiten und weiß, dass sie vom Spurensicherungsteam nicht reingelassen wird. Also fängt er sie ab, als sie auf die Straßenbahn wartet. Aber wartet mal …«
Er unterbrach sich, um mit verärgerter Miene die Soße vom Ärmel abzuwischen. Nachdenklich verrieb er sie in seinem gestrickten Pullover. Es fehlte nicht viel, und Irene hätte ihm gesagt, er solle doch zur Toilette gehen und den Fleck ordentlich auswaschen. Aber sie konnte sich zum Glück gerade noch zurückhalten. Den Blick weit ins Lokal gerichtet, fuhr Fredrik fort: »Woher konnte Henrik von Knecht wissen, dass Pirjo in der Molinsgatan war? Die ganze Stadt wusste, dass der Alte tot war! Es wäre doch nur logisch gewesen, wenn sie auch davon erfahren hätte, dass er vom Balkon gestürzt worden war? Und dann hätte sie doch zu Hause bleiben müssen.«
Irene und Tommy nickten. Irene erklärte entschlossen: »Wir müssen ins Präsidium und mit dem Kommissar reden. Es ist offensichtlich Henrik von Knecht, den wir überwachen müssen und nicht Lillis. Vielleicht kann ja auch das Rauschgiftdezernat dessen Überwachung übernehmen.«
Den letzten Satz äußerte sie ohne große Hoffnungen, aber man konnte ja zumindest einmal fragen. Sie fuhr fort, an Fredrik gewandt: »Habt ihr einen Überwachungsplan für Lillis?«
»Ja. Im Augenblick macht Birgitta es, bis sechs Uhr. Dann übernimmt Hans Borg, und gegen Mitternacht bin ich dran. Jonny ist am Samstagmorgen und -vormittag an der Reihe. Und dann geht’s wieder von vorne los.«
»Es dürfte doch keine Probleme bereiten, diesen ganzen Überwachungsplan auf Marstrand zu übertragen? Laut Charlotte kommt Henrik sowieso erst morgen Abend gegen zehn Uhr zurück.«
Tommy nippte an seinem heißen Kaffee. Nachdenklich meinte er: »Glaubst du, eine Überwachung von Henrik von Knecht bringt was? Er kommt nach Hause, müde und erschöpft von seinen Auktionsgeschäften. Sicher wird er sich dann hinsetzen und an irgendeiner Kostbarkeit herumfummeln. Und danach geht er ins Bett. So denke ich mir das.«
Irene versuchte ihn zu überzeugen: »Aber das ist eine konkrete Spur, der wir jetzt nachgehen! Wir sind doch nicht einmal sicher, ob Lillis überhaupt etwas mit dem Fall zu tun hat. Ich schlage vor, wir besprechen das mit dem Kommissar. Was haltet ihr übrigens von der Zeugenaussage des bewaffneten Nachbarn? Hatten Charlotte und Richard eine sexuelle Beziehung?«
Alle drei dachten darüber nach.
»Es scheint so.«
»Vieles deutet darauf hin. Nicht zuletzt die Übernachtungen.«
»Zu Beginn unserer Ermittlungen hätte ich eine derartige Zeugenaussage für vollkommen unmöglich gehalten. Aber nach unseren Informationen über Richards und Charlottes Persönlichkeiten, die wir inzwischen gesammelt haben, würde ich sagen, dass es absolut nicht ausgeschlossen ist!«, stellte Irene fest.
Fredrik zeigte wieder Zeichen einer gewissen Erregung, sodass Irene über den Tisch griff und die Soßenschüssel wegschob. In seinen Augen leuchtete es vor Begeisterung, als er sich über den Tisch beugte.
»Damit hat dieser Henrik ein Motiv. Eifersucht! Sein eigener Papa bumst mit seiner Frau! Verdammt, wenn das kein ausreichendes Motiv ist!«
Etwas regte sich ganz tief unten in Irenes Gedächtnis, und es gelang ihr, es ins Bewusstsein zu holen: »Ich bin mir gar nicht so sicher, ob Henrik wirklich
Weitere Kostenlose Bücher