Der Novembermörder
in der Lage ist, größere Eifersucht zu empfinden. Oder Gefühle überhaupt. Ihn interessiert doch kaum etwas außer seinen Antiquitäten. Aber es gibt noch ein anderes, sehr starkes Motiv. Das häufigste, nämlich Geld.«
Tommy schaute sie überrascht an und fragte: »Aber ist es denn nicht Sylvia von Knecht, die ihren Mann beerbt?«
»Doch, schon. Abgesehen von einer Versicherung. Sylvia hat mir selbst davon erzählt. Sie und Henrik kriegen nach Richards Tod zehn Jahre lang jeder eine halbe Million Kronen.«
Fredrik stieß einen leisen Pfiff aus. Nach einer Weile fragte er nach: »Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann konnten Henrik und Richard von Knecht sich nicht besonders gut leiden?«
»Sie waren nicht gerade verfeindet. Aber Sylvia hat erzählt, dass Richard nie hat akzeptieren können, dass sich Henriks Persönlichkeit nach seiner Hirnhautentzündung so verändert hat.«
Irene schaute auf die Uhr. Es war kurz nach halb fünf. Entschlossen sagte sie: »Jetzt rufen wir im Präsidium an, um festzustellen, ob Andersson noch da ist. Wir müssen sowieso hin und erzählen, was wir heute herausgekriegt haben. Er soll dann entscheiden, wie wir weiter vorgehen.«
Sie bezahlten und standen auf.
Sie stiegen ins Auto. Irene fuhr, Fredrik saß neben ihr und Tommy auf der Rückbank. Nachdem es ihnen gelungen war, sich in den Stoßverkehr auf der Södra vägen einzufädeln, schaltete Fredrik das Radio an. Der Sven-Ingvars-Schlager über die einzige Blondine der Stadt erfüllte das Wageninnere. Laut und falsch sangen alle drei beim Refrain mit. Sie kicherten, als die Musik verklang. Eine angenehme Männerstimme verkündete sogleich: »Und damit ist unser Melodienkarussell für heute beendet. Hier ist P3. Zeit für ›Das Echo des Tages um Viertel vor fünf‹.«
Ohne nachzudenken bremste Irene, sodass ihr fast ein Taxi hintendrauf gefahren wäre. Ihre beiden männlichen Kollegen schrien gleichzeitig: »Was machst du denn!« – und »Pass auf, das Taxi!«
Diszipliniert betätigte sie daraufhin den Blinker und bog in die Burgårdsgatan ein. Die Götter schienen eine ihrer Opfergaben gnädig aufgenommen zu haben, denn es gelang ihr, einen freien Parkplatz zu finden. Sie stellte den Motor ab, drehte das Radio lauter und starrte wie verhext auf die kleinen leuchtenden roten und grünen Punkte des Autoradios, die verkündeten, dass es eingeschaltet war. Fasziniert flüsterte sie: »Hört doch, Jungs, hört doch!«
»… keine ernsthaften Zwischenfälle bei den gestrigen Demonstrationen im Zusammenhang mit der Feier des Todestags von Karl XII. Die Polizei …«
Fredrik sah sie verwirrt und wütend an, was wohl in erster Linie eine Reaktion auf den Schreck war.
»Und? Was soll das? Du hättest einen Unfall verursachen können! Dann hätten sie morgen im Echo sagen können: ›Drei Bullen waren am gestrigen Tag in einen schweren Verkehrsunfall während der Rushhour verwickelt, verursacht durch den Blackout einer Fahrerin!‹«
Tommy fing an zu lachen, aber Irene winkte nur mit der Hand ab und starrte weiterhin unverwandt auf das Radio. Dramatisch sagte sie: »Habt ihr nicht gehört, was da gerade passiert ist?«
Fredrik und Tommy sahen einander an, voller männlichen Einverständnisses. Fredriks kreisender Zeigefinger um den Kopf sagte alles. Irene sah es auch und musste mitlachen.
»Gerade ist Charlottes Alibi geplatzt! Es gibt keine Fünfuhrnachrichten im Radio! Sie heißen ›Echo des Tages um Viertel vor fünf‹, weil sie eben um Viertel vor fünf anfangen!«
Den beiden Kollegen wurde klar, worauf sie hinauswollte. Dadurch hatte Charlotte eine Viertelstunde gewonnen, und die reichte problemlos, um vom Möndalsvägen bis zur Molinsgatan zu kommen.
Tommy fand als Erster die Sprache wieder.
»Gibt es wirklich keine Fünfuhrnachrichten?«
»Nein, nicht bei den großen Rundfunksendern. Und da Charlottes Golf ganz neu war, als er am Dienstagabend die Verkaufsfiliale von Volkswagen verließ, nehme ich nicht an, dass sie schon einen der kleinen Lokalsender eingestellt hatte, die Nachrichten bringen.«
Tommy beugte sich zwischen den Vordersitzen vor und sagte: »Ich glaube, du hast Recht, Irene. Wir müssen Henrik und Charlotte überwachen. Aber eins ist auch klar: Sie haben ihre Tat schon ausgeführt. Jetzt heißt es für sie, nur nicht auffallen. Wenn wir doch nur einen stichhaltigen Beweis hätten! Jemanden, der Charlotte am Mordabend in der Molinsgatan gesehen hat. Ein Zeuge, der beobachtet hat, wie
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