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Der Novembermörder

Der Novembermörder

Titel: Der Novembermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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und dreifach überprüft werden bei einer Morduntersuchung.«
    Der Nachbar nickte eifrig zustimmend. Aber als er nachdachte, fand er eine wunderbare Gelegenheit, sich zu beschweren, und verkündete in jammerndem Ton: »Na, die Frau sehen wir auch nicht so oft. Ich meine … sie ist ja so gut wie nie draußen im Garten. Was doch wohl dringend notwendig wäre. Die Hecke zu uns hin müssen wir immer in Schuss halten. Die kümmern sich nie um ihre Seite. Immer bin ich es, der die Hecke schneidet. Jedes Jahr!«
    »Gibt es denn keinen Gärtner, der den anderen Teil übernehmen könnte?«
    »O nein. Man könnte ja annehmen, dass sie es sich leisten könnten! Aber nein, die verlassen sich darauf, dass ich ihre Arbeit auch noch mache!«
    Irene schnalzte mitfühlend mit der Zunge und beschloss, direkter auf das eigentliche Ziel zuzusteuern. Verhalten fragte sie: »Wenn der Mann so oft verreist ist, dann kommen wohl oft Freunde und Verwandte zu Charlotte von Knecht zu Besuch?«
    Die Antwort kam kurz und knapp.
    »Nein.«
    Aber da steckte mehr dahinter. Am besten, sie legte noch ein paar Köder aus. Sie nahm noch einmal Anlauf: »Aber gibt sie nicht ab und zu mal ein Fest? Sonst wäre es doch für sie gar zu einsam in dem Haus?«
    Der Nachbar sah verunsichert aus, und Irene meinte eine gewisse Reserviertheit herauszuhören, als er antwortete: »Nein, im letzten Jahr hat es bestimmt kein einziges Fest hier im Haus gegeben. Meistens steht es sowieso leer. Aber manchmal hat sie schon … Besuch gehabt.«
    »Herrenbesuch?«
    Eine leichte Röte überzog seine Wangen und stieg hoch bis zur Glatze. Kein Zweifel, wer da hinter der Gardine gestanden und empört diese Besuche registriert hatte. Diese Glückspilze, die die schöne Frau von Knecht besuchen durften. Was ihn anging, so war das natürlich aus vielerlei Gründen ausgeschlossen. Aber man durfte ja wohl träumen. Und eifersüchtig überwachen, wer denn Zugang zu der Schönen bekam. Irene verdeutlichte ihre Frage noch einmal: »Waren es verschiedene Herren oder vielleicht ein ganz spezieller Herr?«
    Der unbedarfte Nachbar bekam langsam den Verdacht, dass er einem regelrechten Verhör unterzogen wurde, aber nun war es zu spät, den Rückzug anzutreten. Wenn man einmal A gesagt hat, muss man auch B sagen. Betreten stand er da, hackte mit den Zehen in seinen ausgetretenen Slippern in den weichen Rasen und murmelte undeutlich etwas vor sich hin. Sofort legte Irene nach: »Entschuldigung, ich habe Sie nicht verstanden?«
    Er holte resigniert tief Luft: »Früher wurde sie immer von verschiedenen Autos abgeholt. Manchmal sind die Männer auch über Nacht geblieben. Aber nicht so oft.«
    »Wie oft?«
    »Nun ja, vielleicht so zehnmal.«
    Wenn er zehnmal sagte, dann war es auch zehnmal. Er rechnete genau mit.
    »Früher, haben Sie gesagt. War es denn in letzter Zeit anders?«
    Er wand peinlich berührt seinen umfangreichen Leib, bevor er antwortete: »Doch, ja. Im Frühherbst kam ein roter Porsche und hat sie abgeholt. Zuerst haben wir uns nicht so viel dabei gedacht, denn es war ja ihr Schwiegervater, der sie abholte. Man kennt ihn ja aus den Zeitungen und so. Aber eine Nacht, ja, da … da hat er hier übernachtet.«
    »Wann war das?«
    »Ende August, vielleicht auch Anfang September. Das muss natürlich nichts … nichts Ungehöriges bedeuten. Wir haben gesehen, dass er es war, der Richard von Knecht, und er ist schließlich ihr Schwiegervater. Aber man wundert sich ja trotzdem … Er ist immer gekommen, wenn der Sohn, Henrik, nicht zu Hause war. Was er ja sowieso nur selten ist. Und die Schwiegermutter haben wir nie gesehen.«
    Bumm! Bumm! Irenes Herz schlug wild vor Erregung. Sie hatte das Gefühl, alle müssten es hören. Aber offenbar wurde das Geräusch bei den anderen vom Rauschen des eigenen Blutkreislaufs übertönt, denn alle fünf hörten äußerst konzentriert dem älteren Mann zu. Begriff er, was er da sagte? Offenbar. Es war herauszuhören, dass er darüber gegrübelt hatte, was es zu bedeuten hatte, und schließlich die logische Schlussfolgerung daraus hatte ziehen müssen. Es war etwas »Ungehöriges.«
    Sie bedankten sich für seine wertvollen Informationen und sagten, sie würden wieder von sich hören lassen, um alles noch einmal gründlicher durchzugehen. Bevor er wieder zu seinem Haus zurückging, legte er plötzlich seine rundliche Hand auf Irenes Arm. Betreten sagte er: »Ja … und entschuldigen Sie, dass ich Sie mit dem Gewehr bedroht habe … aber es ist nicht

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