Der Novembermörder
sie ihn. Er saß mit dem Rücken zur Tür, aber sie konnte dennoch sein Gesicht schräg von hinten erkennen, weil er mit einem Mann auf dem Stuhl neben sich sprach. Das fettige Haar kringelte sich den Rücken hinunter, und seine Schultern unter der wattierten Lederjacke zuckten nervös. Das war der Magere, alias Paul John Svensson.
Zuerst wurde sie ganz einfach stinkwütend. Was für eine Arroganz! Sich offen in der Avenyn hinzusetzen und Hamburger zu kauen, während er doch damit rechnen musste, gesucht zu werden! Sekunden später kam die Angst. Sie konnte nicht hineingehen. Er würde sie wieder erkennen. Ihre Töchter saßen da drinnen mit einem Wahnsinnigen in einem Raum. Außerdem war er bestimmt bis unter die Halskrause voll mit Stoff. Und sicher bewaffnet.
Sie drehte sich schnell um und versuchte den Eindruck zu erwecken, als hätte sie etwas vergessen. Hastig lief sie über die Straße und wurde fast noch von einer Straßenbahn überfahren. Ruhig, sie musste versuchen, Ruhe zu bewahren. Sicher auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig angekommen, eilte sie ins Glady’s. Sie vergeudete keine Zeit damit, bis zum rückwärtigen Eingang zu laufen, ging einfach durch den Haupteingang hinein. Der Oberkellner war neu und kannte sie noch nicht. Kostbare Sekunden verlor sie, während sie mit ihm diskutierten musste. Schließlich wedelte sie mit ihrem Polizeiausweis, da die Frau des Küchenchefs ganz offensichtlich nicht einfach überall hineinmarschieren durfte. Ihr war klar, dass es ihre Jeans und die abgetragene Lederjacke waren, die ihr im Wege standen, aber gerade jetzt hatte sie keine Zeit, mit ihm zu diskutieren. Mit autoritärer Stimme verkündete sie: »Es geht um eine Polizeiangelegenheit. Ich muss sofort ein Telefon haben!«
Mit viel sagender Miene führte der Oberkellner sie ins Büro. Jedenfalls hielt er sich nicht die Nase zu. Der Restaurantbesitzer war ein alter Bekannter von ihr, aber auch er schaute verwundert auf, als sie sich ohne weitere Erklärung aufs Telefon auf seinem Schreibtisch stürzte. Während sie die Gelben Seiten unter »Restaurants« durchblätterte, sagte sie nur schnell: »Polizeiangelegenheit. Ich erkläre alles später. Da!«
Sie hatte die Nummer von McDonald’s, Avenyn, gefunden. Mit zitternden Händen vertippte sie sich beim ersten Mal und musste es noch einmal versuchen … zehn, elf, zwölf.
Beim dreizehnten Signal antwortete eine äußerst junge Stimme: »McDonald’s, Tina.«
»Hallo, Tina. Bist du so lieb und holst Jenny und Katarina ans Telefon? Es ist sehr wichtig. Es gab einen Unfall, weißt du. Ich bin ihre Mutter. Aber sage den Mädchen bitte nichts. Es ist alles unter Kontrolle.«
»O ja, natürlich, mache ich.«
Es raschelte, als sie den Hörer hinlegte, und es verging eine halbe Ewigkeit, bis Katarinas verwunderte Stimme im Telefon erklang.
»Hallo?«
»Hallo, mein Schatz, hier ist Mama. Sei still, sag nichts, sondern höre mir nur zu. Ich möchte, dass du und Jenny sofort das Lokal verlassen!«
»Aber wir haben unser Eis noch nicht aufgegessen!«
»Das ist jetzt scheißegal! Tut, was ich sage! Bitte, Katarina, es ist ganz, ganz wichtig!«
»Okay. Aber Jenny wird bestimmt sauer sein.«
»Schaff sie raus. Kommt rüber ins Glady’s!«
Katarina musste die Panik in der Stimme ihrer Mutter gehört haben. Etwas, was sie noch nie zuvor bei ihr erlebt hatte.
»Ja, gut. Wir kommen sofort«, sagte sie kurz.
Irenes Hände zitterten so stark, dass sie kaum den Hörer auflegen konnte. Sie achtete nicht auf den fragenden Blick des Wirts. Die Durchwahl zur Abteilung war frei, aber niemand ging ans Telefon. Halb sechs am Samstagabend, kein Wunder. Also rief sie in der Zentrale an. Schnell wurde sie durchgestellt. Eine ruhige Stimme antwortete: »Einsatzzentrale, Inspektor Rolandsson.«
»Hallo, hier ist Irene Huss, Inspektorin bei der Kripo. Ich habe jemanden gesehen, nach dem gefahndet wird. Er sitzt bei McDonald’s in der Avenyn. Er ist gefährlich. Gehört zu den Hell’s Angels. Steht wahrscheinlich unter Drogen und ist sicher bewaffnet. Sein Name: Paul John Svensson.«
Rolandsson schwieg einen Moment, bevor er sagte: »Verstanden. Wir schicken ein Einsatzkommando und einen Funkwagen. Bewaffnet, hast du gesagt?«
»Ja, dieser Schurke hat wahrscheinlich meine oder Jimmy Olssons SIGSauer!«
»Ach, dann ist das einer der Kerle von dem Krawall in Billdal. Wir wissen, wie er aussieht. Die Streife hat sein Foto. Kannst du dort bleiben, und uns so die Festnahme
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