Der Novembermörder
sie bereits fast zwei Kilometer gelaufen war, war sie noch nicht außer Atem. Am äußersten Ende der Felsen kehrte sie um und lief ein Stück zurück, bog dann ab zu den Flundregatoma und joggte die kleinen Gassen zum Skärvallsberget hoch. Erst als sie den hintersten, innersten Teil der Hinsholmskilen erreicht hatte, kehrte sie um.
Sie gönnte sich eine lange, heiße Dusche, die mit einer kurzen eiskalten beendet wurde. Der perfekte Abschluss einer zehn Kilometer langen Joggingtour. Weg war das morgendliche Gefühl von Dumpfheit. Energie erfüllte sie. Das Frühstück für die Familie, einschließlich Hund, war in Null Komma nichts fertig. Schwieriger war es, die müden Familienmitglieder aus ihren warmen Betten zu locken. Einschließlich Hund.
Irene musste noch einmal berichten, was am Tag zuvor alles passiert war. Krister entschuldigte sich, dass er nicht gleich den Ernst der Situation verstanden hatte. Irene winkte ab und meinte, sie wäre daran auch nicht ganz schuldlos gewesen. Sie war zu aufgeregt gewesen und hatte deshalb nicht erklären können, was eigentlich los war. Taktvoll erzählte ihr netter Gatte ihr lieber nicht, was sein Chef gesagt hatte. »Überanstrengt« und »vielleicht von ihrem Beruf etwas zu sehr gefordert« waren wohl kaum Kommentare, die seine Frau gerne gehört hätte.
Nach dem Frühstück legte sich der Energieschub langsam. Sie sah ihr Heim bei Tageslicht. Berge von Schmutzwäsche in der Waschküche. Staubmäuse, Sand und Kies, den Sammies langes Fell hereingeschleppt hatte. Sie hatte fast das Gefühl, als sähe sie ihr Zuhause wie durch einen Weichzeichner. Der Staubfilm wischte alle Konturen aus.
Unter einer Menge Seufzern und Protesten machten sich die Zwillinge ans Staubsaugen und Staubwischen. Krister musste mit Sammie rausgehen, weil dieser eine Höllenangst vor dem Staubsauger hatte. Während seiner gesamten drei Hundejahre hatte er versucht, seine geliebte Familie darauf aufmerksam zu machen, dass ein kleiner Hund in diesem schrecklichen Staubsauger eingesperrt war. Schließlich hörte er, wie er jaulte! Und nichts wurde besser, nachdem Krister in einem Anfall falsch verstandenen Humors Sammies Schnauze mit dem Staubsaugerkopf angesaugt hatte. Da hatte der arme Hund seine Bestätigung. Der Staubsauger war lebensgefährlich und hinterhältig. Er fraß kleine Hunde.
Irene selbst übernahm das Badezimmer, die Toiletten und die Waschküche. Alle Betten sollten neu bezogen werden, alle Handtücher ausgewechselt. Es war zwei Wochen her seit letztem Mal. Krister machte sich zum Großeinkauf bereit, nachdem er mit Sammie zurück war. Das Staubsaugen war beendet, aber sicherheitshalber kroch Sammie unter Jennys Bett. Man konnte nie wissen, solange es überall im Haus polterte und rumpelte und so stark nach Putzmitteln roch.
Fast zwei Stunden waren sie beschäftigt. Zweimal im Monat wurde diese Prozedur veranstaltet. Das ganze Jahr lang. Weihnachtsputz, Herbst- oder Frühjahrsputz, so etwas gab es nicht. Die Gardinen wusch ihre Mutter. Hätte sie es nicht gemacht, dann wären sie wohl nie gewaschen worden. Nun ja, vielleicht hätte Krister sich drum gekümmert, wenn er zweimal im Jahr die Fenster putzte. Irene selbst interessierte sich nicht so sehr für die Gardinen. Sie wusste selbst nur zu gut, dass sie damit den Ansprüchen der Nachbarsfrauen ganz und gar nicht gerecht wurde. Einige von ihnen wuschen die Gardinen mehrmals im Jahr.
Krister kochte ein wunderbares Adventsessen. Altmodischer Sauerbraten, mit Gemüse, schwarzem Johannisbeergelee, gekochten Kartoffeln und einer himmlischen Soße standen auf dem Menü. Irenes Mutter wollte gegen vier kommen. Katarina war es gelungen, den roten Keramikleuchter zu finden. Wer hatte ihn nur da oben auf den Sicherungskasten gestellt? Krister hatte daran gedacht, vier Kerzen aus echtem Bienenwachs zu kaufen. Aber sie mussten ohne Kerzenmanschetten zurechtkommen, denn keiner wusste, wo sie waren. Jenny deckte das gute Service auf und faltete die Servietten in einem komplizierten Muster. Das war die einzige Form des Serviettenfaltens, die sie kannte, aber es sah sehr beeindruckend aus. Damit konnte man ausgezeichnet die Leute beeindrucken. Und ihre Oma war jedes Mal von neuem überrascht über ihre Geschicklichkeit. Sie lobte sie, ohne auch nur verstohlen zu dem kahlen Kopf zu lugen.
Katarina hatte sich ebenfalls selbst übertroffen, denn zum Dessert hatte sie einen herrlich klebrigen Schokoladenkuchen gebacken. Locker geschlagene
Weitere Kostenlose Bücher