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Der Novembermörder

Der Novembermörder

Titel: Der Novembermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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in ihrem Zimmer war, rief sie in der Psychiatrie an und bekam die Erlaubnis, Sylvia von Knecht auf ihrem Patiententelefon anzurufen. Ihre Stimme klang verschliffen und matt, als sie antwortete. Man konnte ein leichtes, kaum wahrnehmbares Finnlandschwedisch erahnen.
    »Ja, es ist wohl am besten, es möglichst bald hinter sich zu bringen. Aber wenn Sie mich fragen, warum er gesprungen ist – ich weiß es nicht. Er war genauso wie immer in der letzten Zeit. Und er war so aufgedreht auf dem Fest am Samstag … ach!«, brach sie mit einem Schluchzer ab.
    Das Telefon war nicht gerade das geeignete Medium, um Sylvia von Knecht mitzuteilen, dass die Polizei einen Mord vermutete. Aber die Pressekonferenz, in der das bekannt gegeben werden sollte, fand in einer Stunde statt. Die Journalisten würden sie überfallen, sobald sich die Tür der Psychiatrie hinter ihr schloss. Ein Mord in diesen Kreisen hatte einen hundertfach größeren Sensationswert als ein einfacher Selbstmord. Irene räusperte sich verhalten und sagte: »Frau von Knecht. Was ich Ihnen jetzt mitteile, wird sicher wie ein weiterer Schock für Sie sein. Wir haben gewisse Spuren, die darauf hindeuten, dass Ihr Gatte getötet wurde.«
    Es war ganz still in der Leitung. Schließlich ertönte es ungewöhnlich schroff: »Meinen Sie, ermordet? Ist er ermordet worden?«
    »Ja, vieles deutet darauf hin …«
    »O Gott sei gepriesen! Was für eine Erleichterung!«
    Was Irene auch erwartet hatte, ganz gewiss nicht diesen Kommentar. Sie versuchte dennoch ihre Verblüffung nicht zu zeigen, sondern fuhr möglichst neutral fort: »Um ein Uhr ist eine Pressekonferenz im Polizeipräsidium angesetzt. Kommissar Sven Andersson wird dann gezwungen sein, die Presse darüber zu informieren, dass wir an einem Mord und nicht an einem Selbstmord arbeiten. Sie müssen sich darauf einstellen, dass die Journalisten Sie ziemlich bedrängen werden.«
    »Das tun sie doch immer. Überlegen Sie doch nur, was für ein Geschmiere sie verfasst hätten, wenn Richard Selbstmord begangen hätte. Und seine Versicherung … na, das ist dann ja kein Problem mehr. Ein Mord ist natürlich schrecklich, aber nichts, was der Familie angelastet werden kann. Gegen Wahnsinnige kann sich niemand schützen. Wann wollten Sie kommen, um drei Uhr?«
    Ganz benommen bestätigte Irene die Uhrzeit. Erst als sie den Hörer aufgelegt hatte, fiel ihr ein, dass Sylvia von Knecht nicht einmal gefragt hatte, wieso die Polizei denn so sicher war, dass es sich um Mord handelte. Ein Teil ihres sonderbaren Verhaltens war sicher auf diverse Medikamente zurückzuführen, die sie in der Psychiatrie bekommen hatte. Aber ihre Reaktion war dennoch äußerst bemerkenswert.
    Das Dackelfrauchen Eva Karlsson klang deutlich aufgekratzter als beim ersten Telefongespräch am Morgen.
    »Ja, natürlich, es passt mir ausgezeichnet. Zwei Uhr ist in Ordnung, dann können wir zusammen Kaffee trinken«, zwitscherte sie fröhlich.
    Irenes Protest wurde freundlich, aber entschieden abgeschmettert. Mit einem Seufzer legte sie den Hörer auf. Es konnte etwas eng werden, wenn sie um drei Uhr im Sahlgrenska sein wollte, aber sie musste eben unerbittlich sein. Ältere einsame Damen haben die unglückselige Tendenz, in Polizisten ihre besten Freunde zu sehen.
    Leider sind es auch oft ihre einzigen.

KAPITEL 4
    Kommissar Sven Andersson war mit sich selbst zufrieden, weil er es dem wichtigtuerischen Kollegen von der Allgemeinen Fahndung gegeben hatte. Es würde mit Sicherheit eine ganze Weile dauern, bis es wieder »aus wohl unterrichteten Polizeikreisen« leckte! Aber Kommissar Birger Nilsson war wahrscheinlich nicht der Einzige mit einem derartigen kleinen Nebenjob. Es gab mehrere Kollegen, die sich auf diese Art bereicherten, trotzdem war es ein gutes Gefühl, zumindest einen von ihnen zurechtgewiesen zu haben. Sollte er es anzeigen? Richtige Beweise hatte er allerdings nicht. Die interne Untersuchungskommission der Polizei brauchte mehr als nur Indizien oder bloße Schuldvermutungen.
    Er pfiff »Lilli Marien« fröhlich und falsch vor sich hin, während er rückwärts vom Parkplatz des Präsidiums fuhr. Es war immer noch alles Grau in Grau, aber zumindest regnete es nicht mehr. Die Temperaturen lagen knapp über Null, zum Abend hin war wohl mit Glatteis zu rechnen. Die Verkehrspolizei würde alle Hände voll zu tun bekommen. »Winterreifen? Aber lieber Herr Wachtmeister, ich fahre das ganze Jahr über mit Sommerreifen. Das ging bisher immer gut!«
    Die

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