Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Novembermörder

Der Novembermörder

Titel: Der Novembermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
Vom Netzwerk:
zusammen, verstand dann aber, was Irene mit ihrer Frage meinte.
    »Sie meinen, ob die Bombe für jemand anderen als meinen Vater bestimmt sein könnte? Nein, die war auf jeden Fall für ihn gedacht. Das ist … war die absolute Ausnahme, dass eins der anderen Familienmitglieder sein Büro aufsuchte.«
    »Brauchte er eigentlich ein Büro? Soweit ich verstanden habe, hatte er doch eine Maklerfirma, die sich um seine Geschäfte kümmerte«, nutzte Irene die Gelegenheit.
    Henrik senkte den Kopf und schien vollkommen in das verzwickte Muster des weichen Teppichs vertieft zu sein. Sie dachte schon, er wollte gar nicht antworten, als er doch murmelte: »Er brauchte einen Platz, um seine Ruhe zu haben. Das war Mamas und Papas alte Wohnung. Dort hatten sie gewohnt, als sie frisch verheiratet waren. Ich war ungefähr zwei Jahre alt, als sie hierher gezogen sind. Die Wohnung haben sie behalten, weil Papa damals ein Büro brauchte. Später hat er dann das Haus hier und das in der Berzeliigatan gekauft. Und noch eine Menge anderer Häuser zusammen mit Peder Wahl. Aber der Immobilienbestand ist inzwischen veräußert.«
    »Wie groß war diese Bürowohnung?«
    »Vier Zimmer und Küche, Bad und Toilette. Ungefähr einhundertdreißig Quadratmeter.«
    »Um auf das mit Marstrand zurückzukommen. Werden Charlotte und Sylvia mit Ihnen dorthin fahren?«
    »Charlotte fährt zu ihrer Schwester in Kungsbacka. Aber Mama muss nach ihren Pferden sehen. Sie hat einen Stall dort draußen. Und ich muss mal rauskommen. Am Montagmorgen ganz früh, so gegen vier, werde ich nach Stockholm fahren. Dort beginnt am Vormittag die Novemberauktion von Lilla Bukowski. Ich habe da einige Aufträge zu erledigen.«
    »Darf ich fragen, wie das eigentlich vor sich geht? Kaufen Sie bestimmte Dinge und verkaufen sie dann danach an interessierte Käufer?«
    »Nein, ich arbeite sozusagen als Agent. Die Interessenten sehen sich den Auktionskatalog an und anschließend nehmen sie Kontakt zu mir auf. Sie sagen mir, an welchem Objekt sie Interesse haben und was es maximal kosten darf. Ich bekomme einen Stundenlohn, und der Kunde bezahlt die Reise und die Unkosten. Oft sind es mehrere, die sich meine Arbeit teilen. Das gilt besonders für Auslandsaufträge. Die Kosten für die Reise und die Unkosten bleiben ja gleich, werden dann aber auf mehrere verteilt.«
    »Das klingt nach einer teuren Art, Antiquitäten zu sammeln«, bemerkte Irene.
    Henrik zuckte mit den Schultern.
    »Meine Kunden haben viel Geld, aber wenig Zeit. Und sie wissen, was sie wollen und was es kosten darf.«
    »Dann steigern Sie also nie für eigenes Geld?«
    »Nein, nicht, wenn ich im Auftrag meiner Kunden arbeite. Aber manchmal kaufe ich natürlich auch etwas für mich selbst. Wie das Tang-Pferd.«
    Während sie über seinen außergewöhnlichen Beruf sprachen, hatte er fast die normale Gesichtsfarbe wiederbekommen. Irene war klar, dass er es fast nicht als Arbeit ansah. Sein Blick wurde lebhaft, und eine leichte Röte zeigte sich auf seinen Wangen. Ihr fiel seine verzückte Beschreibung der Haupt-Möbel und der Teppiche und was es da noch so gab, ein. Das war wirklich eine Frage der Leidenschaft und Passion. Sicher keine leichte Konkurrenz für die schöne Charlotte. Ihr Wert lag im letzt. In fünfzig Jahren würde ihr Sammlerwert bei Null liegen. Der ideale Ehemann hätte ein Archäologe sein sollen. In seinen Augen wurde die Frau immer interessanter, je älter sie wurde. Aber ein Antiquitätensammler, der nur die polierte Oberfläche und den Investitionswert der Zukunft sieht? Dankbar gingen Irenes Gedanken zu Krister über und daran, dass sie beide die meisten ihrer Einrichtungsgegenstände beim lokalen Möbelhändler kauften. Das heißt bei IKEA in Kållered. Aber ehrliche Neugier ließ sie die Frage stellen, die sie schon eine Weile beschäftigte: »Was um alles in der Welt ist eigentlich ein Tang-Pferd?«
    Überraschung zeigte sich auf seinem Gesicht, und sie begriff, dass so etwas doch jeder einigermaßen gebildete Mensch wissen musste.
    »Na, das ist ein Keramikpferd aus der Tang-Zeit! Das war eine chinesische Dynastie von Anfang der 600er-Jahre nach Christus bis in die 900er hinein. Das Pferd folgte seinem Besitzer in den Tod. Es handelt sich also um Grabbeigaben. Bei der Beerdigung wurde der Tote mit allem versorgt, was er für seine Existenz auf der anderen Seite brauchte. Man hat Hausgerätschaften gefunden, Schmuck, eine ganze Dienerschar und Kriegsheere. Während der Tang-Periode wurde

Weitere Kostenlose Bücher