Der Novembermörder
seufzte verträumt.
»So ein schöner Wagen!«
Mona klang etwas betreten, als sie antwortete: »Den habe ich letzte Woche abgeholt. Und in diesem Wagen herrscht Rauchverbot! Der alte war erst drei Jahre alt, aber er stank wie eine Teerkocherei. Zu Hause rauche ich nur draußen auf dem Balkon.«
»Wohin soll ich fahren? Ich meine, wo ist Jonas?«
»In seinem privaten Krankenhaus. Wir machen immer unsere Scherze darüber, Jonas und ich. ›Jonas Söder im Södersjukhuset‹.«
Mona verstummte und starrte in die Abenddunkelheit, die eigentlich nicht besonders dunkel war. In einer Großstadt gibt es keine richtige Dunkelheit, nur eine andere Art von Licht. Künstliches. Das harte Kontraste und tiefe, erschreckende Schatten schafft.
»Mein Gott, was bin ich Stockholm leid. Warum bleibe ich nur hier? Ich sehne mich so heim nach Norrland, zu den weichen Schatten und der Nacht. Nach der Stille.«
»Na, Härnösand ist auch nicht mehr besonders ländlich. Und außerdem ist es verdammt kalt in Norrland.«
»Ja, was die Außentemperaturen betrifft. Aber nicht, was die Menschen angeht.«
Irene teilte ihre Meinung zwar nicht, beschloss aber, das Thema nicht weiter zu verfolgen. Ruhig fragte sie: »Warum ist es eigentlich so wichtig, dass ich Jonas treffe?«
Mona holte tief Luft, bevor sie antwortete.
»Sie sollen sehen, wie krank er ist. Er bekommt jetzt immer ziemlich hohe Morphiumdosen. Sie dürfen ihm nicht sagen, dass Richard ermordet worden ist. Ich habe es ihm nicht erzählt. Er hat seit Wochen keine Nachrichten mehr gehört und keine Tageszeitungen mehr gelesen. Er ist voll mit dem Sterben beschäftigt.«
Sie musste wieder schluchzen, beruhigte sich aber gleich.
»Der Grund, warum es so wichtig war, dass Sie heute Abend herkamen liegt darin, dass heute die gleichen Leute Dienst haben wie am Dienstagabend.«
Mona hatte ihren Kopf gedreht und sah Irene intensiv von der Seite an. Langsam sagte sie: »Sie können sie fragen, ob ich am Dienstag da gewesen bin. Jonas ist jetzt seit fast drei Wochen dort und ich besuche ihn jeden Abend, direkt nach der Arbeit.«
»Um welche Uhrzeit?«
»So gegen sechs. Ich bleibe dann bis elf bei ihm. Dann ist er meistens eingeschlafen.«
»Und Sie haben keinen einzigen Abend ausgelassen oder sind einmal später gekommen?«
»Nein.«
Mona drehte wieder den Kopf und starrte mit blindem Blick direkt in die Scheinwerfer der entgegenkommenden Autos.
»Wenn Sie sich davon überzeugt haben, dass ich die Wahrheit sage, möchte ich Sie bitten dafür zu sorgen, dass die Massenmedien nichts über Jonas und mich erfahren. Wir haben nichts mit Richards Leben oder Tod zu tun. Wir möchten einfach nur in Ruhe gelassen werden.«
Der letzte Satz sprach von Trauer und einer großen Resignation. Aber Irene spürte, dass da noch etwas anderes dahinter steckte.
»Ist das der einzige Grund?«
»Nein. Sie sind nicht dumm. Genauso wenig wie die anderen Polizisten, die an der Ermittlung beteiligt sind. Jonas erbt etwas von seinem Vater. Und wenn Jonas stirbt, dann beerbe ich ihn. Deshalb ist es wichtig, Sie von unserer Unschuld zu überzeugen. Sie können das Personal befragen. Es darf kein Zweifel übrig bleiben. Wir brauchen die Ruhe und den Frieden zum Sterben.«
»Aber es gibt doch bestimmt ein Testament? Ist Jonas denn wirklich erbberechtigt?«
»Ein Kind hat immer das Recht auf seinen Pflichtanteil. Und Jonas gilt als leibliches Kind.«
»Sie kennen sich gut aus.«
»Natürlich. Ich habe sofort im ›Recht für jedermann‹ nachgeschlagen, als ich in der Zeitung gelesen habe, dass Richard tot ist. Weder ich noch Jonas brauchen sein Geld. Aber in den Augen der Polizei müssen wir als Verdächtige dastehen. Das wurde mir klar, als die Zeitungen anfingen von Mord zu reden. Wir wollen mit seinem Geld gar nichts zu tun haben. Er hat nie an unserem Leben Anteil genommen, genauso wenig wie wir an seinem. Abgesehen von dem großzügigen Unterhalt. Er hat sich freigekauft. Und was uns betrifft, dann war das wohl das Beste, was uns passieren konnte. Während meines Studiums hatten wir keine finanziellen Sorgen. Und in der Zeit, als Jonas herangewachsen ist, auch nicht. Die Gehälter der Soziologen sind nicht besonders hoch, aber dank Richards Unterhaltszahlungen wurde mein Studiendarlehen nicht besonders groß. Das habe ich jetzt schon seit langer Zeit abbezahlt. Und ich musste nicht mit Richard zusammenleben. Das war meine beste Rache an Sylvia. Ohne dass ich auch nur einen Finger rühren
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