Der Novembermörder
Moment, als er mir in die Arme gelegt wurde, wusste ich, dass ich für ihn kämpfen würde. Er ist das Wunderbarste, was mir je passiert ist.«
Ihre Stimme kippte leicht und sie schwieg. Als sie ihren Bericht wieder fortsetzte, klang sie hart.
»Ich forderte mein Recht. Und Jonas’ Recht auf einen Vater. Nach vielen heftigen Streitereien am Telefon versprach Richard, nach Stockholm zu kommen und ›alles zu regeln‹, wie er sich ausdrückte. Aber stattdessen schickte er seinen Anwalt, Tore Eiderstam. Der drohte damit, dass Richard jede Bekanntschaft mit mir leugnen würde. Und auch die Vaterschaft. Aber ich gab nicht nach. Als er merkte, dass ich nicht aufgeben würde, begann er mich zu bedrohen. Ich würde nie einen Job kriegen, dafür würden Richard und Tore schon sorgen. Und dann drohte er damit, meine Geschichte an die Zeitungen weiterzugeben. Das ging mehrere Tage lang so. Aber plötzlich eines Tages schlug Tore eine andere Taktik ein. Er erklärte, dass Richard und er nicht länger mit mir herumstreiten wollten. Sie schlugen mir eine Vereinbarung vor. Richard erkannte die Vaterschaft an. Er überschrieb mir die Wohnung und würde bis zu Jonas’ zwanzigstem Lebensjahr die Miete und einen Unterhalt von fünfhundert Kronen im Monat bezahlen. Sie müssen bedenken, dass die Miete damals vierhundert Kronen betrug. Ein neues Auto kostete ungefähr achttausend Kronen. Eine allein stehende Mutter, die noch nicht einmal halb mit ihrem Studium fertig war, hatte gar keine Wahl. Ich nahm das Angebot an. Dafür versprach ich niemandem zu sagen, wer Jonas’ Vater war, bis dieser zwanzig war. In der folgenden Woche las ich von Richards und Sylvias Verlobung und ihrer bevorstehenden Hochzeit in der Zeitung. Da verschwand die alte Mona endgültig.«
Mona stützte ihre Stirn in die Hände. Irene flocht vorsichtig eine Frage ein: »Hatten Sie und Richard in all den Jahren irgendwelchen Kontakt zueinander?«
»Nein, nie. Er hat Jonas nicht einmal ein Päckchen zu Weihnachten oder zum Geburtstag geschickt. Das war das Schlimmste. Die gespannte Erwartung des Jungen vor den Festtagen zu sehen. Und danach seine wortlose Enttäuschung. Zum Schluss machte er sich nichts mehr daraus. An seinem zwanzigsten Geburtstag erzählte ich ihm genau das, was ich jetzt Ihnen erzähle. Da zuckte er nur mit den Schultern und sagte: ›Mein Vater hat sich nie um mich gekümmert, warum sollte ich mich jetzt um ihn kümmern?‹«
Wieder suchte sie in ihrer Handtasche und zog dann ein Papiertaschentuch heraus. Sie versuchte sich zu beherrschen, aber Tränen verschleierten ihre Stimme.
»Er ist immer eine so phantastische Person gewesen, schon seit seiner Kindheit. Immer fröhlich und lieb. Das künstlerische Talent ist ihm angeboren. Er hat gezeichnet und gemalt, noch bevor er reden konnte. Von Anfang an kam nichts anderes als der Künstlerberuf für ihn infrage. Er hat die Wohnung in der Fjällgatan behalten. Ich habe mir eine Eigentumswohnung auf Lidingö gekauft als er neunzehn war und an der Kunstakademie anfing. Wir standen uns immer sehr nahe. Auch nachdem er Chester kennen gelernt hatte. Der ist wie ein zweiter Sohn für mich geworden. Wir haben ihn im Sommer verloren. Und jetzt wird Jonas auch bald von mir gehen!«
Jetzt weinte Mona hemmungslos. Irene konnte in den Augenwinkeln sehen, wie der Kellner nervös an der Türöffnung herumstrich. Sie versuchte Mona zu beruhigen, was ihr nach einer Weile auch gelang. Mona putzte sich herzhaft die Nase und wischte sich die Tränen ab. Sie sah Irene direkt an und ihre Stimme war wieder vollkommen kontrolliert, als sie fortfuhr: »Die beiden haben Aids bekommen. Wer wen angesteckt hat oder ob beide schon HIV-positiv waren, als sie sich kennen lernten, das wissen wir nicht. Es ist auch nicht wichtig. Aber Chester ist vor einem halben Jahr gestorben und Jonas liegt jetzt im Sterben. Und das sollen Sie sehen. Sie sollen mit Jonas sprechen. Damit Sie keinerlei Verdacht haben können, dass er auch nur das Geringste mit dem Tod seines Vaters zu tun haben könnte!«
Mona wollte unbedingt ihren Audi selbst fahren, aber da blieb Irene unerbittlich. Wenn sie mit zu Jonas kommen würde, dann nicht mit einer Fahrerin, die Gefahr lief, wegen Trunkenheit am Steuer festgesetzt zu werden. Mona gab auf. Sie wusste ja selbst, dass Irene Recht hatte. Sie setzten sich in den Wagen, der noch fabrikneu roch. Der Kilometerzähler sagte, dass der Wagen erst dreihundertzweiundzwanzig Kilometer gefahren war. Irene
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