Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)
Strand in Minata Schmerzen gelitten hatte, sobald das Licht des Morgengrauens ihn erreichte. Er fuhr mit der Zunge über seine langen, spitzen Reißzähne. Ja, er war ganz eindeutig ein Vampir.
Aber anscheinend einer, der bei Tag herumlaufen konnte.
Während ein Teil von Tarōs Verstand um diese seltsame Tatsache kreiste, dachte ein anderer Teil bereits: Das könnte nützlich sein. Nachdenklich drehte er sein Schwert in der Hand herum. Der Kleine Kawabata ließ sich Zeit. Während Tarō wartete, schweiften seine Gedanken ab. Er dachte an die Geschichte von Susanoo, dem Kami der Stürme, und dem achtköpfigen Ungeheuer – denn die hatte ihn auf diese Idee gebracht.
Susanoo, ein mächtiger Meeresgott, streifte eines Tages in den Bergen im Norden umher und traf auf eine trauernde Familie von Kunitsukami, Gottheiten der Erde, angeführt von Ashinazuchi. Als Susanoo das Oberhaupt fragte, was geschehen sei, erzählte ihm der Erdkami, dass seine Familie vom schrecklichen Yamata no Orichi, dem achtköpfigen Drachen, heimgesucht wurde. Dieses Ungeheuer hatte bereits sieben von Ashinazuchis Töchtern geraubt und getötet, und jetzt wollte es sich die achte und letzte Tochter holen, Kushinadahime.
Susanoo betrachtete die achte Tochter und sah, dass sie schön war. (Tatsächlich hatte er das schon bemerkt, ehe er Ashinazuchi angesprochen hatte. Er hätte sich nicht für die langweiligen Probleme von Erdgöttern interessiert, wenn es dabei nicht um ein schönes Mädchen gegangen wäre.) Er bat Ashinazuchi um die Hand seiner Tochter, falls es ihm gelänge, das Ungeheuer zu besiegen, und der alte Landgott willigte gerne ein.
Sogleich bereitete Susanoo acht Schalen mit Sake vor, denn es war bekannt, dass alle Ungeheuer eine Leidenschaft für Reiswein hegten. Die Schalen stellte er auf acht Podeste, die er von den Dorfbewohnern bauen ließ. Die Podeste wiederum wurden hinter einen neuen Zaun gestellt, mit acht rechteckigen Toren, die gerade groß genug für den Kopf eines Drachen waren.
Und tatsächlich, der Drache schnappte nach dem Köder und schob alle acht Köpfe durch die acht Tore, um mit seinen gewaltigen grünen Zungen den Sake zu schlürfen. Das Ungeheuer war so abgelenkt, dass es Susanoo nicht bemerkte, der ruhig am Zaun entlangging und einen Kopf nach dem anderen abschlug. Die letzten Köpfe versuchten natürlich, sich zu befreien, doch wie jeder, der einmal ein Kind war, nur zu gut weiß, ist es viel leichter, den Kopf durch einen Zaun zu zwängen, als ihn wieder herauszuziehen. Bald waren alle acht Köpfe abgeschlagen, und Susanoo hackte nun auch die Schwänze ab. Im vierten Schwanz fand er Ame-no-Murakumo-no-Tsurigi, das großartigste Schwert, das jemals getötet hat. Er überreichte es als Versöhnungsgeschenk Amaterasu, seiner Halbschwester und Göttin der Ernte und des Überflusses, mit der er in ständigem Zwist lebte …
Ein Geräusch drang zu ihm herauf. Tarō blickte hinunter und sah den Kleinen Kawabata vor der Tür knien.
Eine Woge heißen Zorns wallte in Tarō auf, als er auf den dicklichen Jungen hinabschaute, der versucht hatte, ihn zu töten. Dann jaulte der Kleine Kawabata auf, als sei seiner Hand etwas geschehen.
Das war Tarōs Zeichen. Er sprang vom Dach und landete neben dem Kleinen Kawabata. Die Hand des Jungen steckte im Spalt unter der Tür, und sein Gesicht war schmerzhaft an das Holz gepresst. Er hockte auf den Knien. Heikō musste seine Hand mit recht grausamem Griff festhalten, wenn der Kleine Kawabata sich derart wand.
Tarō legte eine Hand unter das Kinn des dicken Jungen und drehte dessen Gesicht zu sich herum. Dann zog er ganz langsam, so dass der Kleine Kawabata es auch gut sehen konnte, sein Schwert und hielt die Klinge über den Unterarm seines Widersachers.
Der Kleine Kawabata schnappte nach Luft und erbleichte, als hätte er einen Geist gesehen. Vielleicht dachte er das tatsächlich. Denn wie hätte Tarō noch am Leben sein können, wenn er in der hellen Morgensonne stand?
»Hör genau zu«, sagte Tarō. »Heikō hat dein Handgelenk fest im Griff. Eine einzige Bewegung von dir, und ich hacke dir die Hand ab. Glaubst du mir das?« Um seine Worte zu unterstreichen, zog er die Klinge leicht über die Haut des Kleinen Kawabata und hinterließ einen flachen Schnitt auf dessen Arm.
Der Kleine Kawabata nickte wimmernd.
»Aber ich will nicht, dass du stirbst, obwohl du versucht hast, mich zu töten. Glaubst du mir das ?«
Der Kleine Kawabata nickte erneut, mit weit
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