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Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Titel: Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Lake
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Ninja wandte sich zum Gehen und erklärte die Unterhaltung damit für beendet. Tarō begriff, dass es noch zu schmerzlich für Shūsaku war, darüber zu sprechen. Tarō fragte sich, ob auch er eines Tages so sein würde. Falls er seine Mutter nie finden sollte, würde er dann in diesem Raum auf und ab gehen, wenn er so alt war wie Shūsaku, unfähig, über ihren Verlust zu sprechen? Er wusste, dass der Tod seines Vaters für immer in ihm lebendig bleiben würde  – dass ein kleiner Teil von ihm immer sehen würde, wie sein Leichnam in einer Blutlache lag und der Ninja, der ihn ermordet hatte, sich aus den Schatten löste. Aber er hatte das Gefühl, wenn er nur seine Mutter finden, sie wiedersehen könnte, würde diese Wunde vielleicht ein Stück weit verheilen, und er könnte sein Leben fortführen.
    Außerdem würde er natürlich mit Shūsaku zur Burg des Daimyō Oda ziehen, und er würde sich an dem Mann rächen, der diese Ninja nach Shirahama geschickt hatte. Damit hatte er Tarōs Vater praktisch eigenhändig ermordet.
    Shūsaku verneigte sich zum Abschied. Ehe er die Höhle verließ, drehte er sich jedoch noch einmal um. »Viel Glück morgen. Ich bedaure, dass du diesen Weg gewählt hast. Es wäre vielleicht einfacher gewesen, den Kleinen Kawabata hinrichten zu lassen.«
    »Nein«, erwiderte Tarō. »Ganz sicher nicht.«
    Shūsaku nickte. »Ich glaube, ich verstehe.«
    Er verschwand in die Dunkelheit der Tunnel. Tarō wirbelte das Nunchaku mit einer Hand herum. Nur einige seiner Fragen waren beantwortet, doch über die allerwichtigste hatte er nun Gewissheit. Shūsaku hatte ihm die Information gegeben, die er brauchte, um sich dem Kampf morgen stellen zu können  – um mutig in den Ring zu treten, das Schwert fest in der Hand –
    Und den Kleinen Kawabata zu töten.

Kapitel 51
    Tarō schlief in dieser Nacht nicht viel und hatte das Gefühl, dass ihm eben erst endlich die Augen zugefallen waren, als Shūsaku an seinen Alkoven trat und ihn weckte.
    »Bist du bereit?«, fragte der Ninja.
    »Nein.«
    »Gut«, sagte Shūsaku. »Du wärst ein Narr, wenn du anders denken würdest.«
    Er führte Tarō und den Kleinen Kawabata, der sich ihnen auf dem Felsengang anschloss, zu einer kahlen Höhle in der Nähe des Kraters. Die anderen Kinder folgten ihnen. Der Kleine Kawabata bekam eine einfache Mahlzeit aus Reis. Tarō trank wie üblich Schweineblut.
    Hirō, Yukiko und Tarō unterhielten sich leise, während der Kleine Kawabata in der Ecke kauerte. Heikō hielt die Knie an die Brust gepresst und schwieg. Tarō war nervös. Er spürte eine schwindelige Übelkeit im Magen, wie das Gefühl zwischen dem Stolpern und dem Aufprall auf dem Boden. Auch Yukiko wirkte besorgt. Sie biss sich häufig auf die Unterlippe oder brach mitten im Satz ab.
    Der Kleine Kawabata sagte gar nichts  – er starrte nur die Felswand an und knirschte mit den Zähnen. Tarō wusste nicht recht, warum der Kleine Kawabata ihn eigentlich hasste. Vermutlich lag das zum Teil daran, dass sein Vater Shūsaku hasste  – also hatte der Kleine Kawabata einfach den Hass seines Vaters übernommen wie ein Familienerbstück. Es war Shūsaku gewesen, der beschlossen hatte, Tarō zu verwandeln und hierherzubringen, obwohl er der Sohn des Fürsten Tokugawa war. In gewisser Weise stand Tarō also stellvertretend für Shūsaku, als Sinnbild für dessen geteilte Loyalität, halb Ninja, halb Samurai.
    In gewisser Weise war Tarō Shūsaku, nur jünger.
    Aber Tarō vermutete auch, dass der Kleine Kawabata eifersüchtig war. Wie Yukiko, die es besser verkraftet hatte, war er verletzt, weil Tarō vor ihm verwandelt worden und ohne lange Ausbildung oder Zeremonie zum Vampir gemacht worden war. Tarō wünschte, er könnte diese Verwandlung rückgängig machen, wieder ein ganz gewöhnlicher Junge sein und nicht jemand, der anders war und den man hasste. Zugleich war er wütend auf den Kleinen Kawabata, weil der ihn beneidete. Glaubte dieses fette kleine Wiesel etwa, es sei leicht, den eigenen Vater sterben zu sehen, die Mutter zu verlieren, von allem fortgerissen zu werden, was man kannte und liebte?
    Und Tarō fragte sich, wie neidisch ein Mensch eigentlich sein musste, wie leicht zu verletzen, wenn er jemanden töten wollte, nur weil er sich von demjenigen bedroht fühlte. Wenn der Kleine Kawabata bereit gewesen war, ihn in diesem Reisspeicher sterben zu lassen, dann war der Junge vielleicht wirklich gefährlich. Womöglich würde er vor nichts zurückschrecken,

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