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Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Titel: Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Lake
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»Stirb ehrenhaft, wenn du schon nicht so leben konntest.«
    Dem Kleinen Kawabata entschlüpfte ein leises Schluchzen, und sein Vater funkelte ihn an. »Bei Hai beginnt der Kampf«, sagte er. Dann schlossen er und Shūsaku sich Hirō, Yukiko und Heikō auf einer Bank an.
    Tarō betrachtete den Kleinen Kawabata. Der dickliche Junge beäugte ihn mit bewusst ausdrucksloser Miene. Tarō verneigte sich leicht. Der Kleine Kawabata erwiderte den Gruß. Damit war der Förmlichkeit Genüge getan. Die beiden Schwerter steckten nicht in Scheiden. Dies war nicht Iaidō, sondern ein reiner Schwertkampf. Wie schnell man blankziehen konnte, zählte hier nicht. Nur das Geschick mit der Klinge.
    Tarō stand, wie der Kleine Kawabata, in der Grundhaltung, den linken Fuß nach vorn ausgestellt, das Gewicht darauf verlagert und das Schwert vor sich ausgestreckt, mit der scharfen Seite der Klinge nach oben. Shūsaku hatte ihnen erklärt, dass die ideale Haltung im Schwertkampf Kū war, die Leerheit. Ein Schwertfechter konnte wahrhaftig als Meister gelten, wenn er lässig dastehen konnte, ohne irgendeine bestimmte Haltung, und aus dieser Leere heraus zu jeder Form des Angriffs oder der Verteidigung übergehen konnte.
    Aber Tarō und der Kleine Kawabata waren von dieser Fähigkeit noch weit entfernt, also nahmen sie die Haltung ein, die man sie gelehrt hatte. Tarō spürte, wie ihm ein Schweißtropfen über die Wange rann, und wollte sich zu Shūsaku umdrehen, denn gewiss würden die beiden Anführer das nicht tatsächlich durchsetzen. Es war Wahnsinn –
    » Hai!«
    Der Kleine Kawabata sprang vor und schwang sein Schwert in einer der klassischen Eröffnungen. Tarō parierte den Hieb mit Leichtigkeit, seine Bewegung war fließend dank vieler Stunden des Übens, und sein Arm bewegte sich praktisch wie von selbst. Er machte einen Ausfallschritt und schrammte mit dem Schwert an der Unterseite der Waffe des Kleinen Kawabata entlang in der Hoffnung, dem anderen Jungen das Schwert aus der Hand schnellen zu lassen. Doch der Kleine Kawabata erkannte die Gefahr, riss das Schwert nach links und verdrehte damit Tarōs Klinge. Tarō musste fest zupacken, um nicht seine eigene Waffe zu verlieren. Er tänzelte rückwärts und kam wieder ins Gleichgewicht. Er konnte das Tosen der Menge hören, aber nur gedämpft  – die Stimmen vermischten sich zu einem fernen Brausen wie von Wellen am Strand.
    Der Kleine Kawabata führte einen Hieb nach Tarōs Schulter und zwang ihn dadurch, mit erhobener Klinge zu parieren. Dann wandelte er seine Finte in einen ausladenden Schlag um, der Tarōs Bauch nur knapp verfehlte. Tarō sprang gerade noch rechtzeitig zurück. Er war schneller als der Kleine Kawabata, doch der Sohn des Anführers war trotz seiner Leibesfülle ein sehr geschickter Kämpfer.
    Ihre Schwerter klirrten mehrmals aufeinander, während beide die Bewegungen des Gegners einzuschätzen versuchten. Dann fand der Kleine Kawabata eine Lücke, traf Tarō am Oberschenkel und schlug ihm eine dünne, flache Wunde. Die Menge schnappte nach Luft.
    Tarō biss die Zähne zusammen. Er griff an und führte das Schwert in einem weiten Bogen nach unten. Als es sich dem Kleinen Kawabata näherte und der dicke Junge beinahe verächtlich das Schwert hob, um den augenfälligen Hieb zu parieren, drehte Tarō das Heft des Schwertes in der Hand herum, so dass die Klinge sich nun seitwärts, nicht abwärts bewegte. Sie hatte blitzartig die Richtung gewechselt. Das war kein Manöver, das Shūsaku ihm beigebracht hatte  – sondern reiner Instinkt.
    Die Parade des Kleinen Kawabata hätte den ursprünglichen Hieb abgewehrt, doch nun kam Tarōs Schwert in einem viel flacheren Winkel, und es traf den Kleinen Kawabata unter dem erhobenen Arm. Tarō musste kräftig ziehen, um es wieder herauszubekommen, denn die Klinge war offenbar in eine Rippe eingedrungen.
    Der Kleine Kawabata taumelte rückwärts, und ein roter Fleck breitete sich an seiner Seite aus. Die Menge verstummte. Tarō täuschte rasch auf die verletzte Seite seines Gegners an und bemerkte, wie langsam die Reaktion des anderen Jungen war, als der sich drehte und Tarōs Schwert beiseiteschlug. Tarō bewegte sich nun vollkommen konzentriert und führte noch ein paar Hiebe, manche schlau, manche weniger findig, um den Kleinen Kawabata zu erschöpfen.
    Ein leises Raunen lief durch die Menge, als die Zuschauer sahen, in welchen Schwierigkeiten der Kleine Kawabata steckte. Tarō glaubte, den Anführer aufschreien zu hören,

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