Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)
als einer seiner Gefährten nach ihm rief.
»Und?«
Er drehte sich um und stellte den Fuß wieder auf den Boden. »Nur Reis.«
»Hörst du das?«, sagte Kira Kenji zu dem Mann, dem der Wagen gehörte. »Anscheinend ist dein Leben doch nicht verwirkt. Zumindest diesmal. Aber lerne gefälligst zu sprechen, wenn du etwas gefragt wirst. Das ist eine wertvolle Fähigkeit, die jede Unterhaltung erleichtert.«
Der Bauer stammelte: »J-j-ja, Samurai-san … B-b-bitte um –«
»Ach, halt den Mund«, sagte Kira. Er hob die Stimme. »Los, Männer!«, befahl er. »Fusaku, lass den Reis und steig endlich auf. Du bekommst genug zu essen, oder etwa nicht?«
Der Samurai seufzte und eilte zurück zu den anderen.
Ihm fiel nicht auf, dass die hintere Wand die Ladefläche ein wenig kürzer machte, als der Wagen tatsächlich lang war.
Kapitel 61
Yukiko beugte sich wehklagend über den Leichnam ihrer Schwester. Tränen liefen ihr über die Wangen, und ihre Pein war schrecklich anzusehen. Tarō war schockiert darüber, dass sich unter ihrer sonst so angenehmen, melodischen Stimme diese schrillen, misstönenden Laute der Trauer verborgen hatten.
Alle waren schwerfällig wieder zu sich gekommen, als Tarō ihre Gesichter mit kaltem Wasser bespritzt hatte, und sogleich durch die Falltür ausgestiegen. Tarō schätzte, dass in der Zeit, seit Kira und seine Männer aufgebrochen waren, nur ein einziges Räucherstäbchen hätte herabbrennen können. Als die anderen sich zu regen begannen, hörte er draußen Bauern flüstern, die sich offensichtlich nicht trauten, sich dem Wagen zu nähern, oder dem Leichnam davor.
Endlich hatte die Wirkung des Giftes nachgelassen, und er hatte aufstehen können. Er hatte einen Trinkschlauch geöffnet und seinen Gefährten Wasser ins Gesicht gespritzt.
Dann hatte er zuerst Yukiko nach draußen geführt und eine Hand auf ihre Schulter gelegt, als sie sich dem Leichnam ihrer Schwester genähert hatten.
Jetzt kauerte Yukiko auf dem Boden, über die Tote gebeugt, und in ihrer Haltung und den erstickten Lauten, die aus ihrer Kehle drangen, lag etwas Animalisches, als hätte die Trauer die menschliche Seele in ihr zum Verstummen gebracht.
Am Straßenrand drückten sich kleine Gruppen von Bauern mit gesenkten Köpfen herum.
Shūsaku kniete sich neben Yukiko und strich ihr über den Kopf. » Wir müssen sie fortbringen«, sagte er sanft. » Wir sollten nicht hier bei dem Wagen bleiben. Sie kommen sicher wieder.«
Yukiko blickte auf, und Tarō wich einen Schritt zurück. Als sie ihm das Gesicht zuwandte, war es vor Wut verzerrt, die Augen zu schmalen, raubtierhaften Schlitzen verengt. Er erkannte sie kaum wieder.
»Du hast meine Schwester getötet«, sagte sie mit völlig gefühlloser Stimme – was schlimmer war, als wenn sie unter Tränen oder bebend vor Schluchzen gesprochen hätte.
Tarō starrte sie an. »N-n-nein, das war ich nicht.«
Shūsaku strich dem Mädchen übers Haar. »Tarō hat sie nicht getötet. Das war Kira Kenji.«
»Kira Kenji arbeitet für den Fürsten Oda. Fürst Oda will Tarō tot sehen. Also ist es Tarōs Schuld, dass Heikō tot ist.« Sie funkelte Tarō an. »Ich wünschte, du hättest unser Haus nie betreten! Du hast alles zerstört. Die Äbtissin. Meine Schwester. Was willst du mir denn noch alles nehmen?«
Tarō zitterte. »Ich wollte nicht … Sie … Deine Schwester hat mich überrumpelt. Ich konnte sie nicht daran hindern, aus dem Wagen zu springen.«
» Warum hast du sie dann nicht gerettet?« , fauchte sie.
»Ich war … ich habe euch doch gesagt, dass ich mich nicht bewegen konnte.«
»Für den Kleinen Kawabata hast du dich bewegt. Ihn hast du gerettet. Hinterher – als sie tot war –, da hättest du sie verwandeln können.« Es klang, als reiße sie jedes Wort einzeln aus ihrer Kehle. Tarō erwartete halb, dass die Silben bluttriefend über ihre Lippen kamen und auf ihren Umhang tropften.
»Ich habe es versucht«, sagte Tarō. »Ich wollte ihr helfen, aber sie hat mich gelähmt. Sie hat euch alle betäubt. Sie wusste genau, was sie tat. Ich wünschte …«
Er begann zu weinen.
Shūsaku streichelte immer noch Yukikos Haar. »Selbst wenn er den Wagen hätte verlassen können – sie hatten ihr den Kopf abgeschlagen. Er hätte für sie nicht das Gleiche tun können wie für den Kleinen Kawabata. Außerdem hätte er dazu noch leben müssen, und die Samurai hätten ihn sicher getötet. Es waren viel zu viele.«
»Das behauptest du«, erwiderte
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