Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)
Kaiser und Shōgun sind, ein Junge als Botschafter keinen Verdacht erregen wird. Zieh ihn also aus.« Während er das sagte, entkleidete er bereits den kleineren der beiden Diener. Er legte seine eigene schwarze Ninja-Kleidung ab, verschwand einen Moment lang vor Tarōs Augen und begann dann, sich die einfachere Kleidung anzuziehen. »Nur Ninja tragen Schwarz«, erklärte er.
»Was ist mit deinen Tätowierungen?«, fragte Hirō, während Tarō dem reichen Mann den Kimono auszog und gegen seine Kleider vertauschte.
Shūsaku hatte sein Gesicht entblößt, und für Tarō schwebten die Augen des Mannes wieder in der leeren Luft.
»Kein Mensch wird danach fragen. Sie werden denken, dass ich einmal ein Verbrecher war, Mitglied einer Diebesgilde. Falls wir einem Vampir begegnen … wäre das unangenehm. Derjenige wüsste vielleicht nicht, was es bedeutet, aber genau wie Tarō würde er ein Augenpaar scheinbar in der Luft schweben sehen. Das dürfte reichen, um jeden misstrauisch zu machen, und Ninja sind von Natur aus argwöhnisch.«
Shūsaku musterte Tarō, der nun in dem kostbaren Kimono steckte. Seine Füße waren gänzlich unter fließender Seide verschwunden, die sich um ihn herum auf dem Boden ausbreitete, und die Hände verschwanden in den langen, weiten Ärmeln.
Der Gesandte war sehr viel größer als er.
Shūsaku zupfte einen Ärmel zurecht. »Hmm. Nun ja, das müsste gehen, solange du sitzt.«
Er winkte Hirō zu sich heran. »Beug den Kopf vor«, sagte er. Dann wickelte er sein schwarzes Tuch um Hirōs Kopf und Gesicht und ließ nur die Augen frei.
»Was tust du da?«, fragte Hirō.
»Es wird vielleicht nicht nötig sein«, entgegnete Shūsaku. »Wenn sie glauben, dass Tarō der ist, der er zu sein vorgibt. Aber wenn du mich das Wort ›ausgleichen‹ sagen hörst, schreist du sofort auf, als hättest du Schmerzen, und lässt die Sänfte fallen. Hast du verstanden?«
»Ja, aber –«
»Gut.«
Shūsaku beugte sich über den größeren der beiden Diener. Er zückte ein Messer, das wie aus dem Nichts zu kommen schien. »Es tut mir leid«, murmelte er, dann schnitt er dem Mann den kleinen Finger von der linken Hand. Der Bewusstlose regte sich nicht und schlief immer noch tief und fest vom Betäubungsgift in dem Pfeil.
Tarō konnte nicht fassen, was er gerade gesehen hatte. »He!«, rief er. »Was machst du denn da?«
Shūsaku wog den Finger in der Hand. »Für ihn bedeutet er nicht viel, der kleinste Finger seiner linken Hand. Der Verlust wird ihn nicht daran hindern, ein Schwert zu schwingen – oder eine Schreibfeder.« Er griff in seinen eigenen Kimono und holte eine Goldmünze hervor. Wieder einmal fragte Tarō sich, wie es dem Ninja gelang, all diese verborgenen Dinge mit sich herumzutragen – als seien seine Kleider, selbst die geborgten, in der Lage, alles herzugeben, was er gerade brauchte. Tarō hatte gesehen, wie Shūsaku sich umgezogen hatte, nachdem sie in der Nacht zuvor zu dem Boot geschwommen waren – und da hatte er keine Spur von Schwertern, Blasrohren oder Münzen gesehen, und die Götter mochten wissen, was der Mann sonst noch mit sich herumtrug.
Shūsaku riss einen Streifen von seinem abgelegten Ninja-Tuch ab, verband damit den Stumpf an der Hand des Dieners, drückte dann dessen Finger zusammen wie ein kleiner Tintenfisch, der seine Beute packte, und drückte die Münze in die so geschaffene Faust. »Eine kleine Entschädigung für deinen Verlust«, raunte er dem Bewusstlosen zu. »Du musst verstehen, dein kleinster Finger bedeutet uns sehr viel, wenn er uns heute Nacht das Leben rettet.«
»Wie sollte uns der Finger schützen?«, fragte Tarō. Wider Willen war er beeindruckt von der Großzügigkeit des Ninja, obwohl dieser gerade ohne ersichtlichen Grund einen Mann verstümmelt hatte. Aber mit einer so großen Goldmünze hätte man einen kleinen Hof von mehreren Quadrat-Ri kaufen können.
Shūsaku ignorierte ihn und reichte Hirō den Finger. » Wenn du die Sänfte fallen lässt, lässt du auch das hier fallen, verstanden? Und starr darauf hinab, damit die anderen den Finger auch ganz sicher bemerken.«
Hirō nahm den Finger mit angewiderter Miene und steckte ihn in eine Tasche. » Wenn du mir nur sagen würdest, warum ich einen Finger herumtragen und mein Gesicht verschleiern soll, dann –«
Shūsaku legte den Zeigefinger an die Lippen. »Ein alter Mann muss seine Geheimnisse haben dürfen«, sagte er.
Shūsaku trat vor die Sänfte und lockerte die Muskeln
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