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Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Titel: Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Lake
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Tochter, natürlich schon gehört. Doch er hatte die Schilderungen für übertrieben gehalten  – unterwürfige Schmeichelei, als Klatsch verkleidet, um dem Fürsten zu gefallen. Ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein, blieb Itō stehen und starrte das Mädchen an. Die Prinzessin war wahrhaftig wunderschön: Ihre dunklen, klaren Augen glichen nächtlichen Teichen, ihre langen Wimpern feinen Weidenzweigen. Ihre Haut war weiß, die Wangen rosig wie die Blüte, nach der sie benannt war. Sie strahlte eine Nervosität aus, eine Art rastloser Anmut, die sie nur noch anziehender machte. Itō hatte sagen hören, dass Daimyō Oda um ihre Sicherheit fürchtete. Er fragte sich, was in aller Welt dieses schöne Mädchen bedrohen sollte, was für ein Mensch  – oder Dämon  – den Wunsch haben könnte, ihr etwas anzutun.
    Er war sich nicht bewusst, dass er sie anstarrte. Sie schlug die Augen nieder, errötete und zog sich in das Zimmer zurück. Die Tür schloss sich hinter ihr. Itō, der nicht bemerkt hatte, dass er den Atem anhielt, stieß ihn aus und setzte seinen Weg fort.
    Das Ende des Flurs war nur zu bald erreicht, und Itō konnte es nicht länger hinauszögern. Vor der schweren hölzernen Tür blieb er stehen. Von drinnen waren Stimmen zu vernehmen. »Wo ist der Junge?«, hörte Itō den Fürsten Oda mit seiner unverkennbaren, barschen Stimme fragen. Er hatte den Daimyō nur einmal gesehen, als er mit seinem Gefolge auf einem Jagdausflug an der Schmiede vorübergeritten war, doch er hatte rasch gelernt, den herrischen Tonfall und die tiefe Stimme des Mannes zu erkennen.
    Jemand anders murmelte ein paar unverständliche Worte, dann klirrte Metall auf Stein. »Ich habe euch nach dem Jungen ausgeschickt«, schrie Oda. »Und ihr kehrt mit nichts als Ausreden zu mir zurück. Er ist doch nur ein kleiner Junge! Kinder sind leicht zu töten. Das ist einer ihrer großen Vorteile.«
    Dann sprach eine andere Stimme: »Der treulose Ninja, der Verräter, hat ihn verwandelt, Daimyō Oda.«
    »Ihn verwandelt?«, fragte Oda entsetzt.
    »Ja. Ein Vampirkind ist sehr viel schwieriger zu töten als ein menschliches.«
    Ein Laut war zu hören, als ziehe jemand nachdenklich die Luft durch die Zähne ein, dann ein Seufzen. »Dennoch«, erklärte Oda. »Ihr habt versagt, ob der Junge nun verwandelt wurde oder nicht. Ihr habt Schande über euren Klan gebracht, und über den Namen meiner Familie.« Laute, schlitzende Geräusche drangen durch die Tür, dann Schreie, dann nichts mehr.
    Itō blieb lange stehen und überlegte hin und her. Er war gerufen worden, und man erwartete, dass er schnell kam. Aber Oda war offensichtlich in irgendwelche Streitigkeiten verwickelt, vielleicht mit Leuten aus seinem Gefolge. Vielleicht wäre es doch besser, später wiederzukommen? Nein. Man hatte nach ihm verlangt. Itō schluckte und stellte fest, dass seine Kehle trocken und wie zugeschnürt war. Er hob die Hand und klopfte sacht an die Tür. Ein kleiner Teil von ihm hoffte, dass irgendetwas schiefgegangen war und man ihn wieder wegschicken würde, weil Oda heute nicht zu sprechen sei. Dann hätte er das Schwert noch ein wenig mehr polieren und an den eingeätzten Verzierungen der Parierstange arbeiten können, bis sie das Licht genau richtig einfingen.
    »Herein«, sagte Fürst Oda.
    Itō trat mit respektvoll niedergeschlagenen Augen ein.
    »Schau auf«, sagte der Daimyō.
    Itō blickte hoch und stellte erstaunt fest, dass Daimyō Oda lächelte. Der Fürst stand vor einem großen Shōji-Fenster, aus dem das Papier herausgerissen worden war, so dass er von einem Lichtstrahl angeleuchtet wurde, scharf und schmal wie die Klinge in Itōs Händen. Mehrere Diener beobachteten die Szene von den Wänden aus. In der Mitte des Raumes stand ein kahl rasierter Mann mit im Rücken gefesselten Händen, der starr zu Boden blickte. Er zitterte.
    Auf dem Boden lagen einige schwarz gewandete Männer, offensichtlich in Todesqualen verrenkt. Schwarze Seidentücher und Kapuzen verbargen ihre Gesichter. Rauch kräuselte sich gemächlich aus ihren Leibern und tanzte wie Staubkörnchen in dem hellen Lichtstrahl.
    Ninja.
    »Sieh sie nicht an«, befahl Oda. »Sie sind unwürdig, angesehen oder bedacht zu werden. Sie haben in meinen Diensten versagt. Das wird bei dir gewiss nicht der Fall sein. Es heißt, du seist der beste Waffenschmied in der ganzen Gegend. Ich hoffe für dich, dass das wahr ist.« Er wedelte mit der Hand, und Diener schleiften die Leichen aus dem Raum.
    Oda

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