Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)
in seinen Armen und Schultern. Tarō stieg in die kleine Kabine und spürte, wie sie hochgehoben wurde. Er lehnte sich zurück. Er war stolz auf Hirōs Kraft und sehr dankbar dafür. Ein Glück, dass Hirō so stämmig war, denn Tarō wusste nicht, wie sie sich sonst hätten verkleiden sollen, um in die Stadt zu gelangen.
An der Vorderseite der Sänfte waren zwei schmale Löcher in die Wand geschnitten, so dass der Insasse nach draußen schauen konnte, ohne allzu leicht gesehen zu werden. Tarō blickte durch diese Schlitze, als die Sänfte sich umdrehte, und sah die am Boden liegenden Männer, die Shūsaku betäubt hatte.
»Warte«, sagte Shūsaku. »Stell die Sänfte wieder ab.«
Tarō beugte sich aus der Tür. »Was ist?«
Shūsaku hatte bereits einen der Bewusstlosen unter den Achseln gepackt. »Hilf mir, sie im Unterholz zu verbergen«, sagte er zu Hirō. »Sie werden sich noch lange Zeit nicht rühren, aber wir wollen ja nicht, dass jemand sie sieht. Mit ein wenig Glück werden sie begreifen, was passiert ist, und sich in Sicherheit bringen, ehe Oda sie findet und sie dafür bestraft, dass sie sich von uns haben überwältigen lassen.«
Tarō verdrehte die Augen. »Daimyō Oda ist barmherzig«, sagte er. »Das sind nur Diener. Man kann von ihnen nicht erwarten, dass sie sich gegen einen ausgebildeten Ninja verteidigen. Man tötet doch niemanden nur deshalb, weil er etwas Unmögliches nicht vollbringen konnte.«
Shūsaku kehrte zurück, um den dritten Mann zu holen, den Gesandten selbst. »Für gewöhnlich«, sagte er leise, »sterben die Leute genau deswegen.«
Kapitel 12
Itō Kazei ging den langen Flur entlang, und das leise Echo seiner Tabi auf dem Steinboden schien die restlichen Augenblicke seines Lebens abzuzählen. Er hätte zu gern ein wenig gezögert, doch wenn Daimyō Oda Nobunaga jemanden so bald wie möglich zu sprechen wünschte, war das nur dem Namen nach ein Wunsch, und »bald« bedeutete in diesem Fall augenblicklich. Es hieß, als ein entfernter Verwandter bei der Beisetzung von Oda Masahine, Nobunagas Vater, ein wenig verspätet sein Beileid ausgedrückt hatte, habe Nobunaga ihn gezwungen, auf der Stelle Seppuku zu begehen und sich mit seinem eigenen Zeremonienschwert den Bauch aufzuschlitzen.
Für gewöhnlich gestand man einem Samurai bei diesem heiligsten rituellen Akt einen Sekundanten zu – einen vertrauten Samurai, der hinter ihm stand und ihn fast vollständig köpfte, sobald die Klinge durch die Eingeweide drang, was ihm einen Großteil der grausamen Schmerzen ersparte.
Nobunaga lehnte das immer ab.
Viele hatten an jenem Tag um Nobunagas Vater geweint. Doch ihr Schluchzen war von den Schreien des sterbenden Mannes übertönt worden, der stundenlang vor dem Scheiterhaufen gekniet hatte, die eigenen Eingeweide vor sich auf dem Boden, ehe der Tod auch ihn geholt hatte.
Itō trug das Schwert bei sich – nicht am Gürtel, denn das wäre eine unverzeihliche Dreistigkeit gewesen, sondern in Öltuch gewickelt auf beiden Armen. Er beschleunigte seine Schritte, wobei er sorgsam darauf achtete, das kostbare Bündel nicht fallen zu lassen. Dieses Schwert hatte ihn mehrere Monate Arbeit gekostet. Er hatte die Klinge, die ursprünglich aus drei Stahlstücken bestand, immer wieder ausgeschmiedet, gefaltet, erhitzt, abgekühlt und gehärtet – all das mit größter Präzision, um eine Shinogi-Linie zu erreichen, die sich an der flachen Seite entlangschlängelte wie eine hellblaue Welle vor dem schimmernden Silber der Klinge.
Als ein Diener des Daimyō Oda bei Itō erschienen war und ihn gebeten hatte, ein Schwert für den Fürsten anzufertigen, war Itō stolz auf sein Können gewesen, das er so viele Jahre lang perfektioniert hatte, wie man eine Klinge durch Hammer und Esse vervollkommnete. Dass sein Ruf bis an die Ohren des Daimyō gedrungen sein sollte, war ein hohes Lob.
Doch er hatte auch entsetzliche Angst gehabt. Es war allgemein bekannt, dass Nobunaga den Titel eines Schwertheiligen oder Kensei erlangt hatte. Diverse Schwertmeister aus allen Teilen des Landes hätten sein Geschick mit dem Schwert bestätigen können – sofern sie noch gelebt hätten. Denn jeder, der sich je mit ihm duelliert hatte, war tot, und er hatte schon zahlreiche Duelle ausgefochten.
Vor Itō ging eine Tür auf, und ein Mädchen von umwerfender Schönheit schaute heraus. Itō hätte beinahe laut nach Luft geschnappt. Er hatte von der legendären Schönheit von Hana, Daimyō Odas einziger
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