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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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ich!«
    Rosa war beeindruckt. Der Sohn von Mr Donald war ein ansehnlicher, um nicht zu sagen hübscher Bursche. Er hatte strahlend weiße Zähne und am Kinn ein Muttermal, das aussah wie ein kleines Hufeisen. Und wie sah sie aus? Bescheuert!
    »Bist du Rosa?«
    »Aber nur, wenn du Donald junior bist!«
    Der Junge nickte. »Ich heiße Ronald!«
    Am liebsten hätte Rosa mich Ronald in die Hand gedrückt und wäre davongerannt, so peinlich war ihr das eigene Aussehen.Andererseits merkte ich, dass der Junge großen Eindruck auf sie machte und Rosa sich gerne noch ein wenig mit ihm unterhalten hätte. Deshalb stand sie mit ihren hässlichen Schnecken unschlüssig vor ihm und wusste nicht, was sie sagen sollte.
    »Hast du Zeit?«, fragte Ronald.
    Rosa hob die Schultern.
    »Gehen wir was trinken?«
    Komisch , dachte ich, der hat es ja gar nicht eilig. Rosa schien ebenfalls überrascht zu sein. In mir lagerte Sprengstoff, und dieser Junge schlug in aller Ruhe vor, etwas trinken zu gehen. Entweder hatte er Nerven wie Drahtseile, oder sein Interesse an Rosa war größer als seine Angst, mit mir und den geheimen unterlagen erwischt zu werden.
    * * *
    Während sie durch den Tiergarten spazierten, schien Rosa ihre Schnecken ganz vergessen zu haben. Nur die Brille nahm sie irgendwann ab. Ronald sprach sie auch nicht wegen ihrer komischen Frisur und dem kindischen Kleid an. Für ihn spielte ihre Aufmachung offenbar keine Rolle.
    Am Pariser Platz gingen sie in ein Café. An der großen Glastür hing ein Schild, auf dem Juden dürfen hier nicht rein! stand.
    »Das ist jetzt überall so.« Ronald tippte sich an die Stirn.
    Als der Kellner kam und höflich fragte: »Was darf ich Ihnen bringen?«, musste Rosa lachen, sodass der Kellner ganz verstört schaute.
    Nachdem Ronald zwei kühle Limonaden bestellt hatte, zog der Mann wortlos ab. Kurze Zeit später kam er zurück und stellte ebenso wortlos die Gläser auf den Tisch.
    »Danke!«, sagte Ronald und raunte Rosa zu: »Jetzt ist er eingeschnappt!«
    Wieder lachte Rosa. Auch Ronald konnte sich nicht mehr zurückhalten.
    Der Kellner stand am Tresen und ließ uns nicht aus den Augen.
    »Gefällt es dir hier?«, fragte Rosa.
    »Hier drin?« Ronald grinste schon wieder.
    »Nein, hier in Berlin.«
    »Nee, ich will lieber zurück nach Amerika. Hier ist es viel zu gefährlich.« Er nahm einen Schluck Limonade. »Papa sagt, lange kann es nicht mehr dauern.«
    Ich verstand nicht, was Ronald damit meinte: die Herrschaft der Nazis, oder dass sein Vater wieder zurückbeordert wurde.
    »Wir könnten mal zusammen ins Kino gehen«, sagte Ronald unvermittelt, als er sein Glas leergetrunken hatte.
    »Du meinst, solange du noch hier bist.«
    Ronald nickte.
    »Es laufen doch nur Nazifilme.«
    »Nicht überall.«
    Rosa nahm den letzten Schluck aus ihrem Glas. Schon kam der Kellner mit schnellen Schritten an unseren Tisch.
    »Darf ich den Herrschaften noch etwas bringen?«
    Wieder musste Rosa lachen, wobei sie die Hand vor den Mund hielt und so tat, als müsste sie husten. Ronald legte ein Geldstück auf den Tisch.
    »Danke. Wir gehen schon!«
    Draußen hatte sich die Sonne bereits hinter ein paar Wolken verzogen. Ronald verabschiedete sich.
    »Bis demnächst!«
    »Ja.«
    Rosa winkte Ronald. Ronald hob lässig die Hand.
    »Halt!«, rief Rosa plötzlich. »Hätte ich fast vergessen!«
    Sie drückte mich Ronald in die Hand und sagte: »Den will ich aber wieder zurück.«
    »Klar.«
    Er hielt mich in der Hand, sah mir lange ins Gesicht und sagte: »Da kommt ja keiner drauf!«
    Wieder winkten die beiden sich zu, bis Ronald mit mir davonging.
    »Sie ist ja ganz nett«, sagte er, als er in der Straßenbahn saß und mich in seinem Schoß hielt. »Wenn sie nur nicht so bescheuert aussehen würde!« Er schüttelte den Kopf, als wollte er es nicht glauben. »Diese Schnecken! Furchtbar!«
    Das ist Frau Rosengartens Schuld, wollte ich sagen, ließ es dann aber. Ich glaube, er hätte es nicht verstanden.
    * * *
    Als wir nach Schöneberg kamen, wo Ronald mit seiner Familie in einer kleinen Villa wohnte, war sein Vater schon zu Hause und erwartete uns.
    Er war ganz bleich im Gesicht und umso erleichterter, als er seinen Sohn sah.
    »Gott sei Dank!«, sagte er. »Ich habe schon gedacht, dir wäre was passiert!«
    »War harmlos.« Ronald reichte mich seinem Vater. Der öffnete den Korken und holte die Papierrolle heraus. Dann gab er mich seinem Sohn zurück.
    »Und, wie findest du Rosa?«
    »Nett, aber hässlich!«
    »Hatte

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