Der Ölhändler und die Blumenkönigin
Geschäftsführer Hsing-Tjüán und Lan-Huá waren nämlich in ihrer Liebesleidenschaft schon so weit gekommen, daß sie sich, da sie den alten Mann krank im Bette liegen sahen, durchaus nicht mehr genierten.
Nach einigen Auftritten und Vorhaltungen, die er ihnen machte, heckten die beiden den Plan aus, unter Mitnahme der Ladenkasse zu verschwinden.
In einer stillen Nacht rafften sie das Geld, welches sich im Laden vorfand, zusammen und machten sich aus dem Staube.
Erst am folgenden Morgen erfuhr Dschu Schih-Lao davon und bat einen Nachbarn, eine Verlustliste aufzunehmen. Man fahndete einige Tage nach den Dieben, ohne indessen die leiseste Spur von ihnen zu entdecken.
Nun reute es Dschu Schih-Lao tief, daß er damals unrecht getan und Hsing-Tjüán zu Gefallen Tjin-Dschung aus dem Hause gestoßen hatte, von dessen wahrer, treuer Gesinnung er sich übrigens schon seit langer Zeit hätte überzeugen müssen. Er wußte auch von anderen, daß sein Adoptivsohn unter der Dschung-An-Brücke wohnte und mit Öl hausieren ginge. In seine Gedanken, es wäre wohl das beste, ihn wiederaufzunehmen, damit er eine Stütze im Alter hätte und jemanden, der nach seinem Tode die üblichen Zeremonien vornähme, mischte sich nur die Furcht, er könnte ihm die ungerechte Behandlung noch nachtragen. Daher bat er die Nachbarn, Tjin-Dschung mit allen Mitteln der Überredungskunst zu bewegen, in sein Haus zurückzukehren, und an das Gute, nicht an das Böse zu denken, das ihm widerfahren war.
Kaum hatte dieser davon gehört, packte er noch an demselben Tage seine Geräte zusammen und zog zu Dschu Schih-Lao zurück. Beim Wiedersehen weinten sie bitterlich.
Der Alte übergab Tjin-Dschung alles, was er früher zurückgelegt hatte, und da auch der junge Tjin über zwanzig Taels besaß, fiel es ihnen nicht sonderlich schwer, das Geschäft wieder in Betrieb zu setzen, in dem Tjin-Dschung nun als Geschäftsführer fungierte.
Wieder im Hause seines Adoptivvaters, gab er den Familiennamen Tjin auf und nannte sich Dschu-Dschung wie ehemals. Ein Monat war noch nicht verflossen, als sich die Krankheit Dschu Schih-Laos verschlimmerte. Jedes Mittel, gegen sie anzukämpfen, erwies sich als wirkungslos, und bald war er seinen Leiden erlegen. Dschu-Dschung schlug an seine Brust und betrauerte den Tod des Alten, als ob sein Vater gestorben wäre. Er zog ihm die Totenkleider an und nahm neunundvierzig Tage nach seiner Einsargung die üblichen religiösen Feierlichkeiten vor. Draußen vor dem Tjin-Bo-Tore, wo die Ahnengräber der Familie Dschu lagen, fand die Trauerfeier statt, die mit der Beisetzung endete, und da hierbei alle Zeremonien des Ritus genaubefolgt worden waren, rühmten die Nachbarn die Pietät des edelgesinnten jungen Mannes.
Bald rollte das Leben wieder in den alten Geleisen weiter. Tjin-Dschung betrieb wie früher das Geschäft, welches schon auf ein ziemliches Alter zurücksehen konnte und sich früher eines guten Rufes und großen Kundenkreises erfreut hatte. Seit aber Hsing-Tjüán die alleinige Leitung desselben innegehabt, waren infolge seines Geizes und Eigennutzes viele Kunden vertrieben worden. Wer wäre aber jetzt, da man wieder den jungen Dschung im Laden sah, nicht gekommen, um bei ihm zu kaufen? Im Gegensatz zu früher nahm das Geschäft bald einen ungeahnten Aufschwung, und Dschu-Dschung, welcher allein war, sah sich genötigt, schnell einen älteren, erfahrenen Gehilfen zu suchen.
Da kam eines Tages sein Vermittler Djin-Dschung mit einem über fünfzig Jahre alten Manne zu ihm, und das war gerade der Hsing-Schan, welcher in dem Dorfe An-Lo draußen vor der Stadt Pi-Leáng gewohnt hatte und in jenem Schreckensjahre, auf der Flucht vor den Rebellen nach Süden wandernd, durch die Regierungssoldaten von seinem Töchterchen Yao-Tjin getrennt worden war.
Mann und Frau waren seitdem in Kummer und Schrecken hin und her geworfen worden. Kaum, daß sie im Osten einen Schlupfwinkel gefunden, mußten sie nach dem Westen fliehen und verbrachten so in Not und Elend einige Jahre.
Als sie eines Tages vernommen hatten, daß die Stadt Lin-An emporblühe, und das Volk, welches sich nach Süden über den Jangtse hatte übersetzen lassen, größtenteils in Ruhe und Frieden in jener Stadt lebte, dachten sie, daß auch ihre Tochter vielleicht nach dort verschlagen worden sein könnte und kamen, in der Absicht sie zu suchen, hierher. Das bißchen Geld und ihre sonstige Habe, welche sie bei sich führten, war bereits aufgebraucht, sie
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