Der Ölhändler und die Blumenkönigin
Mahl anzurichten, stieg selbst zuerst hinauf und sagte dann zu einem Diener: »Geh' hin und rufe mir dieses kleine gemeine Geschöpf her. Sie soll mir beim Weine Gesellschaft leisten!«
Meï-Niáng aber umklammerte aus Leibeskräften das Geländer des Schiffes; denn sie wollte um keinen Preis der Aufforderung Folge leisten und weinte und schrie.
Wu verlor nun auch die Lust, und nach einigen Gläsern Wein, die er ohne die erhoffte schöne Gesellschaft hatte trinken müssen, ließ er abdecken und stieg wieder ins Boot hinab, um Meï-Niáng weiterzuquälen. Das arme Mädchen stieß mit beiden Füßen wild um sich und begann verstärkt in hohen, schrillen Tönen zu weinen.
Voller Wut befahl Wu seinen rohen Knechten, ihr die Haarnadeln und Ohrringe abzureißen, aber kaum hatten sie das ausgeführt, als Meï-Niáng mit zerzaustem Haar auf die Spitze des Schiffes lief, um sich ins Wasser zu stürzen. Im letzten Augenblick wurde sie noch von den Dienern festgehalten:
»Du glaubst wohl,« rief ihr der Bösewicht zynisch zu, »ich würde mich fürchten, wenn du ins Wasser springst? Ich fürchte nur, daß du das nicht tust! Wenn du auch draufgehst, so wird mich der Spaß höchstens ein paar lumpige Taels kosten! Eine Kleinigkeit für mich!
Aber auch dein erbärmliches Leben auf die Art zum Teufel zu schicken, ist Sünde und Übertretung.
Wenn du dein Schreien und Weinen einstellst,will ich dich loslassen und dich nicht weiter züchtigen!«
Als Meï-Niáng hörte, daß er sie freigeben wolle, wurde sie in der Tat ruhiger, und Wu wies seine Ruderknechte an, an einem einsamen, unbewohnten Orte weit draußen vor dem Tjing-Bo-Tore anzulegen. Dort wurden Meï-Niáng die gestickten Schuhe ausgezogen; sogar die Fußbänder nahm man ihr ab, und ein paar Füßchen kamen hervor, so schön wie goldene Lotosblüten und zart wie zwei junge Bambusschossen!
Nachdem Wu den rohen Knechten befohlen hatte, sie ans Ufer zu schleppen, sagte er noch in seiner zynischen Frechheit: »Du gemeines Frauenzimmer, nun kannst du ja zeigen, ob du es fertigbringst, allein nach Hause zu gehen! Ich habe keine Leute, um dich begleiten zu lassen!«
Sprach's und stieß das Boot mit einer Stange vom Ufer ab, von wo es wieder in der Richtung nach der Mitte des Sees davonfuhr.
Wie sagt doch das Gedicht:
»Wo zum Klange der Zither köstlicher Weihrauch brannte,
Zog auf den Schwingen des Sangs immer der Kranich 13 ein.
Heute aber entweihte welch wilder Vogel die Stätte,
Der Poesie und Kunst still geheiligt allein?!
Ach! Der wievielte weiß gütig ein herrliches Weib zu behandeln,
Das wie ein Edelstein hell strahlt in farbiger Pracht!
Wer weiß den köstlichen Hauch einer Mädchenblüte zu stehlen,
In der zartesten Hüll', eben zum Leben erwacht?!«
Meï-Niáng konnte mit ihren verkrüppelten Füßchen ohne die schützende Hülle der Schuhe schwer einen Schritt tun. Und in dieser hilflosen Lage trat ihr das Schicksal, dem sie gegen ihren Willen ausgeliefert worden war, so recht vor Augen. »Meine Gaben und meine Schönheit sind doch vollkommen«, klagte sie. »Weil ich aber in ›Wind und Staub‹ gefallen bin, muß ich mir eine so niederträchtige, entehrende Behandlung bieten lassen? Was nützt es mir, daß ich viele Bekanntschaften mit Nachkommen von Königen und angesehenen Gästen angeknüpft habe, wenn ich sie jetzt in meiner Not nicht in Anspruch nehmen kann und so eine entehrende Beleidigung ertragen muß?! Wenn ich auch zurückkehre, wie kann ich noch leben? Der Tod wäre das Beste. Aber so elend und ruhmlos umzukommen –? Nein! Das ist ein Unrecht an mir selbst. Was für eines überschwenglichen Ruhmes habe ich mich erfreut und nun bin ich – so weit gekommen!
Wenn man sich nur eine einfache Bäuerin ansieht – sie hat's zwölfmal besser als ich! Nur weil mich der Blumenmund dieser Liú Sse-Ma betört hat, bin ich in die Grube gefallen!
Nur deshalb konnte es ein Heute geben! Es ist zwar immer schon so gewesen, daß ein trauriges Schicksal das geschminkte Gesicht verfolgte. Aber wer kann sagen, daß es meinem grenzenlosen Unglück gleichkommt?«
Je länger sie nachdachte, um so größer wurde die Bitterkeit, welche in ihr aufstieg, bis sich endlich ein herzbrechendes Schluchzen aus ihrer Brust losrang.
Zufälliger- und glücklicherweise war Dschu-Dschung an diesem Tage – wie viele andere, welche Tote betrauerten – zum Grabe seines Adoptivvaters Dschu Schih-Lao, draußen vor dem Tjing-Bo-Tore, gegangen, um ein Opfer darzubringen und die
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