Der Ölhändler und die Blumenkönigin
schuldeten Wohnungs- und Kostgeld und wurden schließlich, da sie nicht mehr zahlen konnten, von dem Gastwirt vor die Tür gesetzt.
Nun wußten sie keinen Ausweg mehr! In ihrer großen Not hörten sie plötzlich jenen Djin-Dschung sagen, die Ölhandlung Dschu suche einen Gehilfen, der im Ölverkauf erfahren wäre. Da Hsing-Schan früher doch selbst Inhaber eines sehr großen Ladens gewesen war und auch der Ölverkauf zu seinem Geschäft gehört hatte, fernerDschu-Dschung ebenfalls aus Pi-Leáng und mithin sein Landsmann war, bat er den Vermittler, ihn zu ihm zu führen und zu empfehlen. Als die beiden dort angelangt waren, fragte Dschu-Dschung genau nach seiner Herkunft. Landsmann stand Landsmann gegenüber, und unwillkürlich kam es wie ein wundes Gefühl über sie, bis Dschu-Dschung endlich sagte: »Da ihr keinen Ort habt, wo ihr unterkommen könnt, ihr alten Leute, so bleibt nur bei mir. Wir sind ja Landsleute! Wenn ihr allmählich auf der Suche nach eurer Tochter zuverlässige Nachrichten erhalten solltet, wollen wir weiter über die Sache reden.«
Dann holte er zwei Stränge Cash, zu je tausend Münzen, hervor, und gab sie Hsing-Schan mit der Anweisung, das schuldige Kostgeld zu bezahlen. Auch dessen Frau, eine geborene Yüán, welche inzwischen geholt worden war, wurde Dschu-Dschung vorgestellt, und ein leeres Zimmer behaglich für die beiden eingerichtet. Die alten Leute erschöpften aus Dankbarkeit Herz und Kräfte, um drinnen und draußen die Sache ihres Wohltäters zu fördern. Und Dschu-Dschung freute sich sehr über den glücklichen Griff.
Die Tage und Nächte schossen wie Pfeile dahin,und unbemerkt war über ein Jahr ins Land gegangen.
Viele Leute am Ort, welche sahen, daß der junge Dschu nun voll erwachsen und noch nicht verheiratet war, und denen es nicht entging, daß er bei ziemlicher Wohlhabenheit ein braver, zielbewußter und aufrichtiger Mensch war, wollten ihm gern ihre Töchter, auch umsonst, zur Frau geben.
Aber Dschu-Dschung, einmal geblendet durch die vollkommene Schönheit der Blumenkönigin, hatte keine Augen mehr für jene und war mit ganzem Herzen darauf aus, sich das vortrefflichste und schönste Mädchen zu suchen. Wenn er die gefunden hatte, dann wollte er schon heiraten. Und so verging ein Tag und wieder ein Tag und vergingen noch viele Tage, ohne daß er sein Ideal gefunden hätte, denn es ist wirklich so, wie es im Liede heißt:
»Schweifte dein Blick schon
Über das ungeheure Meer –
Ist nichts dir noch Wasser!
Außer des Wu-Schan
Magischem Haupte hehr
Zeugt kein Berg mehr Wolken.«
Wie wir gesehen haben, weilte Meï-Niáng im Hause der Frau Wang und erfreute sich einessehr großen Rufes. Vergnügen jagte Vergnügen. Der Morgen hatte seine Freuden und der Abend seine Genüsse.
Aber sie hatte wirklich den Mund voll von diesem Treiben und empfand jetzt einen so unwiderstehlichen Ekel vor all dem Überfluß und süßlichen Leben, daß sie sogar Brokat und Stickereien nicht mehr mochte. Gleichwohl, oder besser, weil dem so war, hatte sie Augenblicke, wo das Bild des jungen Tjin mit seinen vortrefflichen Eigenschaften vor ihre Seele trat. Sooft ihr etwas nicht nach Wunsch gegangen war, sooft sie unter den Launen, der Eifersucht und unter widerlichen Szenen ihrer vornehmen jungen Verehrer zu leiden hatte – wenn sie selbst krank daniederlag, oder nach einem wüsten Gelage, das sie gezwungen war mitzumachen, von Mitternacht bis zur dritten Nachtwache morgens keine Menschenseele hatte, die ihre Schmerzen linderte, da dachte sie an den guten und bescheidenen Jungen von damals und klagte, daß kein Band mehr zwischen ihnen bestehe, keine Möglichkeit, ihn wiederzusehen.
Aber ihr »Pfirsichblütenschicksal« sollte zu Ende sein und ihr Leben eine glückliche Wendung nehmen!
Abermals war ein Jahr vergangen, da machte in Lin-An ein ungewöhnliches Ereignis viel von sich reden. In dieser Stadt lebte nämlich ein vornehmer Mann, der achte Sohn des früheren Präfekten von Fu-Dschóu, Wu Yo-Djién, welcher dem Vater auf seinem Posten gefolgt war. Ein schwerreicher Mann, als er sich von diesem Amte zurückzog!
Seit jeher leidenschaftlicher Spieler und starker Trinker, führte er ein wildes Vagabunden- und Genußleben. Nun hatte auch er von dem Rufe der Blumenkönigin gehört, auch wohl schon ihre Bekanntschaft gemacht und zu wiederholten Malen Leute hingeschickt, welche mit ihr ein Rendezvous verabreden sollten, da er sie sehr gern zu sehen wünschte.
Da es aber Meï-Niáng nicht
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