Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
Vom Netzwerk:
Datscha?«
    »Bis der KGB sie ihm weggenommen hat. Und ich will Ihnen etwas sagen, Grigorij. Sie hatte keinen Raum wie diesen im Keller. Sie war sogar überhaupt nicht unterkellert.«
    »Unsere auch nicht.«
    »Hatte sie einen Fußboden?«
    »Einen sehr primitiven.« Grigorij rang sich ein Lächeln ab. »Mein Vater war kein sehr hoher Parteifunktionär.«
    »Erinnern Sie sich an die verrückten Vorschriften?«
    »Wie könnte man die vergessen?«
    »Heizungen waren verboten.«
    »Keine Datscha durfte mehr als fünfundzwanzig Quadratmeter haben.«
    »Mein Vater hat die Vorschriften umgangen, indem er eine Veranda angebaut hat. Wir haben manchmal im Scherz behauptet, sie sei die größte Veranda Russlands.«
    »Unsere war bestimmt größer.«
    »Aber kein Keller, stimmt’s, Grigorij?«
    »Kein Keller.«
    »Wieso hat dieser Bursche dann einen Keller bauen dürfen?«
    »Er muss in der Partei gewesen sein.«
    »Das versteht sich von selbst.«
    »Vielleicht hat er hier unten seinen Wein gelagert.«
    »Kommen Sie, Grigorij – Ihnen wird doch was Besseres einfallen!«
    »Fleisch? Vielleicht hat er gern Fleisch gegessen.«
    »Wenn er einen so großen Fleischkühlraum gebraucht hat, muss er ein sehr hoher Parteifunktionär gewesen sein.«
    »Haben Sie eine andere Theorie?«
    »Ich habe reichlich Sprengstoff verwendet, um den Eingang aufzusprengen. Hätte ich eine Ladung dieser Größe an der Tür unserer alten Datscha angebracht, wäre die ganze Bude eingestürzt.«
    »Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz, worauf Sie hinauswollen.«
    »Dieses Haus ist massiv gebaut. In bestimmter Absicht. Sehen Sie sich den Beton an, Grigorij. Das ist erstklassiges Zeug. Nicht der Scheiß, mit dem wir anderen uns zufriedengeben mussten. Nicht der Scheiß, von dem Brocken abgefallen sind und der nach dem ersten Winter zerbröselt ist.«
    »Dieses Haus ist alt. Als es gebaut wurde, war das System noch nicht verrottet.«
    »Wie alt?«
    »Aus den Dreißigern, würde ich sagen.«
    »Aus der Ära Stalin?«
    »Er ruhe in Frieden.«
    Gabriel hob den Kopf von der Brust. Auf Hebräisch fragte er: »Worüber unterhaltet ihr beiden euch um Himmels willen?«
    »Architektur«, sagte Michail. »Genauer gesagt über die Bauweise von Datschen.«
    »Was willst du damit andeuten, Michail?«
    »Irgendwas stimmt an diesem Haus nicht.« Michail bewegte einen Fuß. »Was soll der Ablauf mitten im Kellerboden, Gabriel? Und was bedeuten die Vertiefungen hinter dem Haus?«
    »Das möchte ich von dir hören, Michail.«
    Michail schwieg einen Augenblick lang. Dann wechselte er das Thema.
    »Wie geht’s deinem Kopf?«
    »Ich höre noch immer Geräusche.«
    »Noch immer Glocken?«
    Gabriel schloss die Augen und saß ganz still da.
    »Nein, keine Glocken.«
    Hubschrauber.

68 W LADIMIRSKAJA O BLAST , R USSLAND
    Irgendwann während seines Aufstiegs zu Macht und Reichtum hatte Iwan Charkow die Kunst des wirkungsvollen Auftritts erlernt. Er wusste, wie man ein Restaurant oder die Lobby eines Luxushotels betritt. Er wusste, wie man einen Sitzungssaal voller Konkurrenten oder das Schlafzimmer einer Geliebten betritt. Und er wusste natürlich erst recht, wie er einen modrigen Kellerraum mit vier Leuten, die er eigenhändig liquidieren wollte, zu betreten hatte. Faszinierend war allerdings, wie wenig sein Auftritt sich von Ort zu Ort unterschied. Wer ihn in diesem Moment beobachtet hätte, hätte glauben können, ihn in der Tür des Le Grand Joseph oder der Villa Romana – seinen Stammlokalen in Saint-Tropez – stehen zu sehen. Obwohl er ein Mann mit vielen Feinden war, ließ sich Charkow niemals hetzen. Er zog es vor, den Raum zu begutachten – und sich von ihm begutachten zu lassen. Ihm gefiel es, seine Kleidung zur Schau zu stellen – und seine sonnenuhrgroße Armbanduhr, auf die er jetzt aus nur ihm bekannten Gründen sah, als ärgere er sich über einen Maître d’hôtel, der ihn fünf Minuten auf einen zugesagten Tisch warten ließ.
    Charkow ließ den Arm sinken und schob die Hand in seine Manteltasche. Der Mantel war aufgeknöpft, als rechne er damit, sich körperlich anstrengen zu müssen. Sein Blick wanderte langsam durch die Zelle und fixierte erst Grigorij, dann Chiara, dann Gabriel und schließlich Michail, dessen Anwesenheit Charkows Stimmung zu heben schien. Michail war ein Bonus, ein unverhoffter Glücksfall. Michail und er waren alte Bekannte. Michail hatte mit Charkow diniert. Michail war in Charkows Haus eingeladen worden. Und Michail hatte eine Affäre

Weitere Kostenlose Bücher