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Der Olivenhain

Der Olivenhain

Titel: Der Olivenhain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Miller Santo
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Mund, den sie weit öffnete. Ja, dachte sie. Es gehört alles dir. Ich gehöre ganz dir. Er drückte sich an sie, und sie konnte ihn an ihrem weichen Bauch spüren. Er knabberte an ihrem Hals und biss sie zärtlich in die Schulter, zog mit den Zähnen an den Trägern ihres BHs.
    Sie ließ ihre Hände seinen breiten Rücken hinuntergleiten und drückte sich dann so fest an ihn, dass er rückwärts mit ihr im Arm in Richtung Bett wanderte. Sie wusste, dass seine Frau keine Abenteuerin gewesen war. Er hatte ihr gemeinsames Liebesspiel als zufriedenstellend bezeichnet – das gab Calliope die nötige Sicherheit. Sie fielen gemeinsam aufs Bett.
    »Böse«, sagte er, und sein Atem ging schneller. »So ein böses amerikanisches Mädchen.«
    Er zog sich ein Stück zurück und ließ seine Finger über jeden Zentimeter ihres Körpers wandern, sagte ihr, was er an ihrem Schlüsselbein, ihren Ellbogen, ja sogar an ihren Beinen liebte – und küsste das Narbengewebe an ihrer Wade.
    Der Gast im Nebenzimmer hämmerte gegen die Wand und schrie sie an, endlich zur Sache zu kommen. Sie legte sich zurück und zog ihn auf sich. Mit weit geöffneten Augen betrachtete sie Amrits Gesicht, während er sie liebte. Er lächelte und seine Augen verrieten ihr, wie er als junger Mann ausgesehen haben musste. Sie sah sie beide vor sich, wie sie sich liebten, als ihre Körper noch jung waren, und sie wusste, dass sie zusammenbleiben würden, bis der Tod sie trennte. Sie biss ihm in die Schulter, um ihre Schreie zu ersticken, und ließ die Wonne über ihren ganzen Körper hinwegspülen. Dann wandte sie sich ihm zu und sah, dass er lächelte. »Ich habe dich vermisst«, sagte er.
    Er war vor ihr aufgewacht. Calliope hatte am Ende doch nicht ihren anständigen Pyjama angezogen und spürte, wie der raue Stoff des Lakens auf ihrer Haut kratzte. Ihr Arm war eingeschlafen, und sie hatte ihr ganzes Kissen vollgesabbert. Er öffnete die Badezimmertür, und sie erwartete, ihn mit einem Handtuch um die Hüfte zu sehen, noch ganz feucht vom Duschen. Stattdessen zog er den Knoten einer pflaumenfarbenen Krawatte fest, als er aus dem Dampf hinaus zu ihr ans Bett trat. »Wir sollten zuerst deinen Vater besuchen«, sagte er.
    »Du bist schrecklich altmodisch«, sagte Calliope. »Daddy wird mich nicht einmal erkennen, geschweige denn verstehen, dass du ihn um Erlaubnis bittest, mit mir zusammenzuziehen.«
    »Es geht um mehr als das. Ich möchte, dass er versteht, dass du fortgehst. Dass du, ganz gleich, wer du für ihn bist, ab sofort in Pittsburgh und nicht mehr in Kidron lebst. Außerdem kann ich es kaum erwarten, den berühmten Mr. Frank kennenzulernen.« Amrit zwinkerte ihr zu, als wüsste er etwas über ihren Vater, das sie nicht wusste.
    »Was hat dir meine Mutter erzählt?«
    »Nichts, was ich dir erzählen könnte«, sagte er und streckte eine Hand aus, um ihr in die Wange zu kneifen.
    Calliope wurde sich schlagartig ihres vom Alter gezeichneten Körper bewusst. »Ich gehe duschen und mich anziehen«, sagte sie, wickelte sich in das Laken ein und verschwand damit im Bad.
    Auf der Fahrt ins Seniorenheim Golden Sunsets gingen sie die Krankengeschichte ihres Vaters durch. Amrit wollte alle Einzelheiten wissen, wie bei Frank zunächst Parkinson diagnostiziert wurde, dann Alzheimer und schließlich Lewy-Body-Demenz. »Für mich ist das alles das Gleiche«, sagte Calliope. »Dad kann sich nicht so erinnern, wie er will, wie wir wollen.«
    »Das muss schwer sein«, sagte Amrit.
    Calliope schüttelte den Kopf. »Dad und ich haben eine Abmachung. Als ich damals so lange krank war, konnte ich Leute nicht ertragen, die mit ihren traurigen Gesichtern zu mir kamen und ihre Sorgen, die sie sich um mich machten, bei mir abluden. Nach etwa zwei Wochen zu Hause habe ich Klartext mit Mum geredet. Ich habe ihr gesagt, dass ich nicht hören wollte, wie traurig sie war. Sie war nicht diejenige mit den gebrochenen Armen, einem gebrochenen Bein und einem Lungenkollaps.«
    Amrit tätschelte ihr Bein. »Wie furchtbar!«
    Sie bremste scharf an einer Ampel. »Das ist es. Genau davon rede ich. Kein Mitleid, keine Sonderbehandlung. Behandle mich einfach so, wie du einen Gesunden behandeln würdest. Genau das tue ich für Dad. Mum hingegen schafft das nicht, und das ist der Grund, weshalb er ihr gegenüber oftmals so aufbraust. Wenn sie bei ihm ist, spürt er, dass etwas mit ihm nicht stimmt.«
    Die Ampel schaltete auf Grün, und Calliope ließ den Gegenverkehr passieren, bevor sie

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