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Der Olivenhain

Der Olivenhain

Titel: Der Olivenhain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Miller Santo
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bemerkte, dass er eingeschlafen war. Guy redete über seinen Enkel, der als Zweitbesetzung des Lumière im Musical Die Schöne und das Biest sein Geld verdiente. Sie streckte eine Hand aus, tätschelte ihm das Knie, und Guy lachte. »Das ist der Unterhalter in mir. Ich habe permanent das Bedürfnis, Geschichten zu erzählen, damit ihr jungen Leute nicht das Interesse an uns verliert. Dabei vergesse ich nur immer, dass Frank einschläft, sobald es nicht ums Jagen oder Angeln geht.«
    »Wie geht es ihm wirklich?«, fragte Calliope.
    »Es geht ihm gut«, antwortete Guy.
    »Sie gehen wundervoll mit ihm um«, sagte Amrit. »Ich wäre niemals auf diese Elefanten-Geschichte gekommen. Wie lange sind Sie beide schon zusammen?«
    Guy sah kurz Calliope an, dann schüttelte er den Kopf.
    Amrit wurde rot. »Ich meine, wie lange sind Sie schon hier?«
    »Zu lange.«
    Sie hatten nie offen über ihre Beziehung gesprochen, aber Calliope war die Vertrautheit zwischen ihnen nicht entgangen, und auch wenn sie nicht mehr wissen wollte, so wusste sie doch, dass sie mehr waren als nur Freunde. »Bitte seien Sie ehrlich. Das Pflegepersonal sagt zwar, dass es ihm für einen Mann seines Alters großartig gehe, aber Sie sind nun seit über zwei Jahren an seiner Seite. Sie sehen die kleinen Dinge, wie zum Beispiel, dass seine Hände heute stärker zittern als sonst. Oder dass er weniger blass aussieht, dafür aber gelber.«
    Guys Gesichtsausdruck wurde weicher. Er sah sie eine Weile einfach nur an, und Calliope konnte erkennen, dass er erleichtert war, offen mit ihr sprechen zu können. Als er schließlich zu reden begann, klang seine Stimme wärmer und weniger heiser, als hätte ein Clown seine Maske abgenommen.
    »An einem Ort wie diesem geht der Tod ein und aus. Man weiß, wie es aussieht, wenn der Körper beginnt, sich abzuschalten. Das Alter ist wie eine Horde Kobolde, die im Körper herumjagen und allmählich den Apparat herunterfahren, der uns in Gang hält.« Er machte eine Pause und kratzte sich am Arm. »Ich war viel zu jung, als ich hierherkam. Es wird noch Jahre dauern, bis sich mein Körper allmählich selbst abschaltet. Franks dagegen hat schon damit begonnen.«
    Calliope begann zu weinen. »Und da eröffne ich ihm, dass ich wegziehe.«
    Amrit nahm sie in den Arm.
    »Er hat sich für Sie gefreut. Und wenn ich das sagen darf: Es ist höchste Zeit, dass Sie gehen«, sagte Guy. »Ich habe nie verstanden, was Sie in Kidron hält.«
    »Ich sollte hierbleiben, wenn er nur noch …«
    »… nur noch was? Zwei Wochen hat? Fünf Monate? Sie wissen um seinen Zustand. Er erkennt schon so lange niemanden mehr. Es gibt Tage, da läuft er auf dem Flur einfach an mir vorbei. Dann muss ich ihm hinterherfahren, seinen Namen rufen und ihn daran erinnern, dass ich sein einziger Halt hier drinnen bin.«
    Verunsichert saßen sie eine Weile da. Amrit streichelte ihr über den Rücken. Andere Patienten schlurften vorbei, und Calliope lauschte, wie sie sich mit ihren Freunden unterhielten, mit ihren Angehörigen. Schließlich stand sie auf und beugte sich zu Guy hinüber, um ihn zu umarmen. »Sie tun ihm gut«, sagte sie. »Danke.«
    Sie rüttelte ihren Vater am Arm, bis er aufwachte. Sie sah, dass er weder wusste, wer die Menschen um ihn herum waren noch wo er sich befand. Seine Augen waren vor Furcht weit aufgerissen, aber er wusste, dass er ihnen nicht sagen sollte, dass er sich nicht erinnern konnte. Er blickte zu ihr hinauf, und sie erkannte, dass ihm zwar nicht einfiel, wer genau sie war, dass er jedoch etwas Vertrautes in ihr entdeckte, etwas Bekanntes.
    »Hey, Steppenhexe«, sagte er. Es war der Kosename, den er ihr als Kind gegeben hatte, als sie zusammen auf der Olivenplantage gearbeitet hatten.
    »O Daddy«, sagte Calliope und nahm ihn fest in den Arm.
    Als sie ging, hörte sie ihn mit Guy sprechen. »Das ist meine Tochter?«, fragte er ihn. Und dann: »Ich habe eine Tochter?« Seine Stimme klang schwach und hoch, und sie hörte, wie Guy versuchte, ihn zu beruhigen, wie er versuchte, ihm zu helfen, sich in der Welt, in der er lebte, zurechtzufinden.

8.
    Bets
    D e r morgendliche Besuch bei ihrem Vater hatte Calliope erschöpft. Der Tag hatte sonnig begonnen, doch kurz nach dem Mittagessen waren vom Mount Shasta her Wolken aufgezogen, und die Temperatur war um zehn Grad gefallen. Als Calliope in die Einfahrt nach Hill House abbog, dachte sie darüber nach, wie sich ihr Leben nun verändern würde.
    Sie wollte als Erstes mit ihrer Mutter

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