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Der Opal

Der Opal

Titel: Der Opal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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Latil. Wenn viel Blut da war, würde sie kotzen müssen. Es würgte sie schon jetzt. Sie fand Haku zehn Meter tief im Hauptgang zur Kommandozentrale. Sie erkannte ihn nicht gleich. Er war eingehüllt in einen Kokon, ein sackartiges Netz, dessen Fäden in den Wänden, der Decke und dem Boden des Ganges ankerten. Weiße Fäden, in die ein roter Strang mit eingewebt schien. Latil fasste die Fäden an und zog ihre Hand erschrocken wieder zurück. Sie waren klebrig und pulsierten leicht, ähnlich wie der mutierte Schmetterling. Hakus ganzer Anzug war überzogen von einem dicht anliegenden Netz aus diesen Fäden. Soweit sie das erkennen konnte, war er nicht zerquetscht worden.
    »Richtiges Kopfweh«, sagte das Schiff.
    Sie rieb sich die Augen. Waren das noch Nachwirkungen der Beschleunigung? Plötzlich schien ein feiner Nebel in der Luft zu stehen.
    »Es ist ungefährlich«, sagte das Schiff. »Nur Enzyme.«
    Die Fäden schmolzen vor ihren Augen. Das Netz wurde dünner, bekam Löcher, Teilstücke lösten sich ab, kringelten sich und schmolzen dann ebenso wie die ganze übrige Struktur. Haku lag leblos in seinem Anzug da, der Helm zog sich zurück. Er war bleich und schien nicht zu atmen.
    »Du bist nicht die Passage englouti«, sagte sie, während sie Haku betrachtete.
    »Warum glaube ich es dann selbst?«, antwortete das Schiff. »Soll ich ihn jetzt reanimieren?«
    »Mach doch, was du willst.« Latil stand auf und wankte den Gang entlang. »Bist du es, oder bist du es nicht?«, fragte sie.
    »Ich glaube schon«, sagte das Schiff zögerlich. Eine ganze Wand des Gangs änderte ihre Farbe. Das milchigtrübe Blau des Opals.
    »Die Flotte kommt«, sagte das Schiff.
    »Wo?« In Augenhöhe Latils wurde ein gelber Kreis um kleine schwarze Punkte gezogen, die sichtlich größer wurden.
    »Die Echo ist das Erste Schiff. Dann die Okigho, die Candomble, die Maldoror, Atakama, Sinus und all die anderen. Die Echo beschleunigt immer noch, es ist unglaublich. Sie müssen etwas mit ihr gemacht haben, seit ich die Datenbanken gesehen habe.«
    »Natürlich, du Depp.« Es war Latil eigentlich egal, aber die Frage wollte sie immerhin gestellt haben. »Du bist doch viel wendiger als die da.«
    »Schon. Aber sie haben Abfangjäger, die zehnmal so schnell sind wie ich. Und wenn ich denen entkomme, ist da der Opal selbst und seine unberechenbare Membran, die niemanden hinauslässt, der sich mit ihr nicht auskennt. Wir haben keine Chance.«
    Latil sagte dazu nichts. Wenn die Flotte ihren Fluchtversuch ernsthaft hätte verhindern wollen, hätten die Abfangjäger schon im Orbit des Mondes gewartet. Außerdem fand sie die Bezeichnung ›Abfangjäger‹ im Zusammenhang mit dem ach so friedlichen Opal reichlich merkwürdig. Heuchler, dachte Latil, alle miteinander. Sie blieb stehen. Ein Zischen kam durch den Gang auf sie zu, ständig lauter werdend. Als er um die Ecke bog, sah Eytarri jämmerlich aus. Ein Teil seines rechten Ärmels schien sich gelöst zu haben und hing in Fetzen herab. Seine Augen waren blutunterlaufen. Er wankte. Trotzdem lächelte er sein idiotisches Lächeln. Sein primärer Sauerstoffkreislauf musste beschädigt sein, daher das laute Zischen.
    »Merkwürdiges Schiff«, sagte er.
     
    Der Rest der Zeit verging zu langsam. Die drei wanderten zwischen den Bäumen im Säulenwald umher wie Verirrte. Es konnte im Grunde nur noch eine Frage von Minuten sein. Eytarri in seinem kaputten Raumanzug besah sich die Bäume genau. Er lachte oft. Es klang sehr maschinell. In einige der Bilder, die Wasser darstellten, versuchte er seinen Kopf hineinzutauchen. Haku saß an einen der Baumstämme gelehnt, seine Augen waren leer. Er wirkte jetzt wirklich sehr alt. Latil fühlte sich mürb. Sie interpretierte Hakus Schweigsamkeit als eine subtile Strafe.
    »Die Flotte kommt«, sagte das Schiff, und Latil schrie zurück: »Das weiß ich!«
    Dankbar dafür, dass jemand sie gereizt hatte, begann sie zwischen den Stämmen hin- und herzuspringen.
    »Das liebe ich! Solche Situationen liebe ich! Mit zwei Schwachköpfen an Bord eines Schiffes, das mich angeblich mag, das mich aber nicht davor schützen kann, demnächst zerfetzt zu werden! Der eine Schwachkopf will seine Haare in Bildschirmwasser waschen und der andere Schwachkopf will, dass ich mich schuldig fühle, weil er zu langsam war! Zu langsam, Gensüppchen, hörst du?«
    Sie rannte zu Haku und riss seinen Kopf an den Haaren hoch. Er sah sie gleichzeitig verzeihend und schmerzerfüllt an. Wie es ein

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