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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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Magistrate traten selten zusammen, und wenn, dann hörte niemand darauf, was sie verkündeten.
    Selbst die große Basilika war vom allgemeinen Verfall betroffen. Ihre Mauern standen zwar noch, aber nachdem die Grundbesitzer und ihre Räte sie endgültig aufgegeben hatten, war ihr Dach eingestürzt, und Vögel nisteten in den leeren Höhlen ihrer klaffenden Fenster. Doch das Gebäude wurde durchaus noch genutzt. Selbst ohne das Dach boten die dicken Mauern einen gewissen Schutz vor dem Wetter, und so war in ihrem Innern – auf dem Boden der großen Halle – ein Miniaturdorf entstanden, mit Dachpfosten und in die Mauern getriebene Balken, die kleine Holzschuppen stützten. Es war ein außergewöhnlicher Anblick. Wenn man einen Beweis für das schwere Versäumnis des Kaisers suchte, seinen Pflichten nachzukommen und die Dinge zu regeln, dachte Regina, dann war er in diesem Bild der Schuppen zu finden, die sich furchtsam in den Windschatten der mächtigen Mauern duckten. Wenn wieder Normalität einkehrte, würde es schrecklich viel zu tun geben, um all das zu reparieren.
    Dennoch herrschte auf dem Forum, dem schlagenden Herzen der Stadt, das gleiche Gedränge wie immer. Regina stürzte sich entschlossen in das geräuschvolle, stinkende Gewühl.
    Sie war bei den Händlern des Forums beliebt, wenn auch nur, weil sie jünger war als die meisten von ihnen. In der Stadt sah man heutzutage nur noch wenige junge Menschen, und noch weniger, die über Geld verfügten. Die Stadt hatte ihre Einwohnerzahl noch nie aus eigener Kraft halten können; dazu war die Säuglingssterblichkeit immer zu hoch gewesen. Doch da es keine Arbeit mehr gab, war der Strom der Zuwanderer vom Land längst versiegt. Jedenfalls machte sich Regina ihre Jugend und Energie nach besten Kräften zunutze und feilschte erbarmungslos mit Männern mittleren Alters, die eigentlich klüger hätten sein sollen.
    Heutzutage wurden an den Ständen zumeist Obst, Gemüse und Fleisch aus den umliegenden Gehöften und Gärten angeboten. Es gab nur sehr wenige Handwerksprodukte zu kaufen. Aber manchmal waren echte Schätze zu finden – es kam vor, dass eine Ladung Broschen, Parfüms oder Stoffe vom Festland ihren Weg hierher fand oder dass der Inhalt eines Stadthauses oder einer Villa von deren Besitzern verkauft wurde, die auf der Suche nach einem besseren Leben andernorts Tabula rasa gemacht hatten.
    Als Regina an diesem Tag die Stände durchstöberte, hatte sie Glück. Sie fand ein Schultertuch aus gelber Wolle, das, wie der Verkäufer schwor, aus Karthago stammte, und sogar einen Satz Ringe – nur aus Bronze, aber in einen davon war ein Intaglio eingesetzt, ein geschnittener Stein, mit dem irgendeine vornehme Dame einmal Dokumente gesiegelt hatte. Sie hätte für all das in bar bezahlen können, musste aber eine hübsche Eisenbrosche in Form eines Hasen hergeben, weil der Verkäufer auf einem Tauschhandel bestand.
    Danach rannte sie, vor Energie berstend, zum Stadthaus zurück. Alle wussten von Amators Heimkehr, und Carausias strahlte, weil sein Sohn von seiner langen Reise zurück war. Regina rief nach Cartumandua. An einem solchen Tag konnte nur Carta, die in der Villa von Julia persönlich ausgebildet worden war, Regina bei den Vorbereitungen für ihr Fest helfen.
    Regina lief in das Zimmer, das sie nach wie vor mit Marina teilte, und warf ihre Einkäufe aufs Bett. Sie durchstöberte ihre Schminke und ihren Schmuck. Da der Platz auf den kleinen Holzborden, auf denen sie ihre Sachen lagerte, knapp wurde, schob sie die drei kleinen matres beiseite, breitete ihre neuesten Broschen aus und versuchte zu entscheiden, welche am schönsten glänzte. Neben dem Schmuck sahen die matres wie das aus, was sie waren, nichts weiter als stumpfe, primitiv behauene Steinklumpen.
    Gleich nachdem Carta ihre Pflichten in der Küche erfüllt hatte, kam sie, um Regina bei ihrer Toilette zu helfen. Sie brachte warmes Wasser, Handtücher und einen Schaber für die Hautreinigung. Mithilfe von Pinzette, Nagelreiniger und Ohrlöffel sorgte sie dafür, dass nicht der kleinste Makel zurückblieb, und flocht und schmückte ihr geduldig das Haar. Und sie träufelte Parfüm auf ihre Haut, schöpfte es mit einem Bronzelöffel aus kleinen Fläschchen. In der Zwischenzeit durchwühlte Regina ihre wachsende Sammlung von Haarnadeln und emaillierten Broschen, Glas- und Gagatperlen, Fingerringen und Ohrringen und suchte sich diejenigen aus, die sie anlegen wollte.
    Während Carta Holzkohle zubereitete

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