Der Orkling (German Edition)
bereitete er gerade irgendeinen finsteren Zauber vor, der Groxmox ganz gewiss nicht gefallen würde. »Komm lieber raus, wer immer du bist. Wir können über alles reden, aber wenn du mich zwingst, die Security zu rufen, wird es echt ungemütlich.«
Groxmox tastete verstohlen nach seinem Schwert. Er würde nicht kampflos sterben, das war er schon sich selbst schuldig. Da war es ganz egal, welch grässliche Dämonen dieser Magier auch auf ihn hetzen mochte, der sich heimtückisch hinter dem Gesicht eines halben Kindes versteckte. Sollten diese Securitys nur kommen!
Samuels Blick folgte seiner Bewegung, und er schüttelte hastig den Kopf »Lass das, du Narr!«, zischte er. »Willst du unbedingt sterben, oder Schlimmeres?«
Was gab es denn Schlimmeres als zu sterben?, dachte Groxmox, kam aber gleich zu dem Schluss, dass er es eigentlich gar nicht wissen wollte. Er nahm die Hand vom Schwert, und auf der anderen Seite der Truhe sagte Betta in nun eindeutig drohendem Ton:
»Das ist jetzt die allerletzte Warnung. Ich zähle bis zehn, und dann rufe ich die Security. Eins!«
Samuel schenkte ihm noch einen letzten, fast schon beschwörenden Blick, straffte die Schultern und trat festen Schrittes um die Truhe herum, gerade als Betta bei vier angekommen war. Der Zauberer brach mitten im Wort ab und stieß anstelle der fünf einen quietschenden Schrei aus, der sich fast komisch anhörte.
Aber nur fast.
»Meister Testa.« Samuel verbeugte sich so tief, dass er mit der Stirn fast die eigenen Knie berührte.
Betta starrte ihn an, ächzte, prallte einen Schritt zurück und riss sich das gläserne Schmuckstück vom Gesicht, sodass Groxmox zum ersten Mal wirklich seine Augen sehen konnte. Sie waren klein und wirkten ein bisschen kurzsichtig. Und sie quollen im Moment tatsächlich ein Stück weit aus ihren Höhlen.
»Bitte verzeiht unser ungefragtes Eindringen, Meister Testa«, fuhr Samuel in demütigem Ton fort. »Aber unvorhergesehene Umstände haben es uns leider unmöglich gemacht, Euch vorher um Erlaubnis zu fragen.«
»!«, sagte Betta und stolperte einen weiteren Schritt zurück und gegen einen Tisch. Irgendetwas fiel auf den Boden und zerbrach klirrend.
»Verzeiht«, wiederholte Samuel. »Ich weiß, dass unser Eindringen hier ungehörig ist, aber besondere Umstände –«
»Du!«, hauchte Betta, und Samuel verstummte abrupt und versuchte sich sogar noch tiefer zu verbeugen. »Du … du bist … du bist ein, ein Halbling!«
»Samuel Fromtown, Meister Testa«, antwortete Samuel, immer noch mit angsterfüllt gesenktem Blick. Ganz so groß wie er getan hatte, dachte Groxmox, schien sein Vertrauen in den Zauberer wohl doch nicht zu sein. Eigentlich sollte er jetzt eine gewisse Schadenfreude empfinden, aber er fühlte sich im Gegenteil eher noch unbehaglicher.
»Ihr erinnert Euch vielleicht nicht mehr, wo Ihr doch so viel zu bedenken habt und Euch um ein ganzes Land kümmern müsst, doch wir trafen uns vor zwei Tagen, und Ihr habt mir Stech übergeben.«
»Stech«, wiederholte Betta. »Du … du bist ein … du bist ein Halbling!«
»Stimmt«, grollte Groxmox, legte die Hand auf den Schwertgriff, ohne dass die Berührung des kalten Eisens ihn auch nur annähernd so sehr beruhigte, wie er es gewohnt war und trat hinter seiner Deckung hervor, und Bettas Augen quollen noch ein Stück weiter aus ihren Höhlen.
»Und du ein, ein O– … ein O–«
»Ein Ork«, half ihm Groxmox aus. »Ganz recht, Meister Zauberer.«
»Ein O –«, krächzte Betta »Ein, ein richtiger O –«
»Ork«, half Groxmox ihm noch einmal. »Das sind doch nur drei Buchstaben. Was ist los mit dir? Bist du blöde?«
Betta antwortete gar nicht, aber Samuel japste vor Entsetzen und starrte ihn ebenfalls aus aufgerissenen Augen an. »Bist du von Sinnen?«, keuchte er. »Wie kannst du es wagen, so mit Meister Testa zu sprechen?«
»Ein, ein … Ork«, stammelte Betta. »Ein leibhaftiger Ork! Und ein echter Halbling! Aber wie …?«
Groxmox fragte sich, ob Betta vielleicht ein Feigling war. Bei einem Zauberer erschien ihm das nur schwer vorstellbar, aber andererseits sah er sich unversehens und inmitten seiner magischen Zitadelle einem Ork gegenüber – immerhin seinem Todfeind – und vielleicht hatte ihm der Schrecken ja schlichtweg den Verstand geraubt.
Dafür sprach, dass er zwar noch einige Augenblicke weiter herumstammelte und japste, sich dann jedoch so fest mit der Hand vor die Stirn schlug, dass es klatschte … und schallend zu lachen
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