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Der Orksammler

Der Orksammler

Titel: Der Orksammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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heute früh im St.-Ruktem-Klinikum zurückließ, war er noch nicht wieder ansprechbar, machte aber einen stabilen Eindruck.«
    Erneut hüllte sich Hippolit in Schweigen, während die Ader an seiner Schläfe langsam und regelmäßig vor sich hinpochte. »Ghoule also«, murmelte er kaum hörbar vor sich hin. »Auch wenn es mir nicht schmeckt, dass Jorge in diesem Punkt recht behalten soll … allmählich fügen sich die Teile des Mosaiks doch zusammen. Ein paar davon wenigstens.«
    Meister Wylfgung schüttelte matt den Kopf. »Ich sagte Ihnen doch, die Seuche löschte anno 2299 die gesamte Ghoulpopulation aus. Wenn es unterhalb meiner Stadt noch welche gäbe, brauchten sie Leichen zum Überleben. In den letzten Jahren ist jedoch kein einziger Toter auf ungeklärte Weise verschwunden. Sonst hätte ich davon erfahren, das müssen Sie mir glauben!«
    »Oh, ich glaube Ihnen, dass Sie Ihre Aufgaben als Verwalter mit einem Höchstmaß an Korrektheit und Pflichtgefühl angehen, lieber Wylfgung. Mit so viel Pflichtgefühl, dass Sie einem staatlichen Ermittlungsbeamten gegenüber die sachdienlichsten Informationen über die Geschichte Ihrer schönen Stadt kurzerhand verschweigen!« Hippolit bedachte sein Gegenüber mit einem anklagenden Blick. »Und ich glaube Ihnen auch, wenn Sie sagen, dass zur Zeit keine neue Ghoulpopulation unter der Stadt ihr Unwesen treibt.«
    Er erhob sich von seinem Stuhl, trat an ein Fenster und ließ den Blick über die aschebedeckten Straßen Torrlems schweifen, die sich grau und trostlos im Licht der vormittäglichen Sonne vor ihm ausbreiteten. »Und dennoch glaube ich, dass wir unseren Orkmörder endlich gefunden haben.«

29
     
     
    Als Jorge erwachte, hatte er keine Ahnung, wo er sich befand. Er schien in einem Bett zu hegen, und das war zunächst mal gut. Dann geriet er in Panik – als er nämlich feststellte, dass man ihn entkleidet hatte. Kein Wesen in Lorgons großem Reich entkleidete ungestraft einen Troll, mochte er noch so oft das Bewusstsein verloren haben!
    Sein Leib schmerzte an unzähligen Stellen, und er fürchtete sich davor, die Bettdecke zurückzuschlagen. Was, wenn sein Trollkörper einfach von der Hüfte abwärts aufhörte? Nicht auszudenken! Es gab ein altes Trollsprichwort, und das ging so: Wenn ein Troll von der Hüfte abwärts aufhört, ist er überhaupt kein Troll mehr.
    Sonnenstrahlen, milchig und trostlos, fielen durch mehrere große Fenster in den Raum. Er war quadratisch, Wände, Boden und Decke in Weiß gehalten. Erst jetzt stellte Jorge fest, dass er nicht direkt auf der Matratze lag. Das Bett verfügte vielmehr über eine thaumaturgische Levitationsfunktion, die seinen Körper in einem dauerhaften Zustand der Schwerelosigkeit eine gute Handbreit über der Matratze schweben ließ, vermutlich, um die Heilung seiner Schürfwunden und Prellungen zu beschleunigen.
    Ihm war völlig schleierhaft, was geschehen war. Das Letzte, woran er sich erinnern konnte, war, dass er sich in einer gigantischen Höhle tief unter der Erde befunden hatte. Und er war verschüttet worden.
    Aber was dann?
    Als er einigermaßen bei sich war, wälzte er sich seitlich von dem thaumaturgischen Schwebekissen herunter und landete auf ungewohnt wackligen Beinen. Zum Glück war von der Hüfte abwärts noch alles an ihm dran, aber es war beunruhigend, an wie vielen Stellen sein Körper mit Bandagen und Verbänden umwickelt war.
    Er machte einen Abort ausfindig, eine winzige Kammer mit einem Loch im Boden. Grübelnd, sich mit den Händen an der Wand abstützend, stand er volle zwei Minuten da und urinierte in das dunkle Loch. Dann wankte er zurück in sein Schlafgemach, legte sich wieder hin und schlief fast augenblicklich ein.
    Er träumte. Von der immensen Höhle. Von der Knochenlawine.
    Jorge träumte von seinem Tod.
    Er war gestorben. Seltsamerweise konnte er trotzdem noch Schmerzen fühlen. Dann: Hippolits kieksige Stimme, just in der Sekunde, als um ihn herum das Licht ausging, ein erregtes Gebrabbel unverständlicher Silben.
    Jorge war klar, dass es sich um eine thaumaturgische Formel handeln musste, aber was, bei Batardos, sollte sie bewirken? Nicht einmal Hippolit vermochte Hunderte Zentner in Bewegung geratener Gerippe zu stoppen, jedenfalls nicht rasch genug, um einen bereits halb darunter begrabenen Troll zu retten.
    In seinem Traum gab es verschwommene Eindrücke, von denen er sich nicht erinnern konnte, sie in der Realität erlebt zu haben: die erdrückende Enge unter all den Gerippen;

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