Der Orksammler
der wachsende Druck der Knochenlast, schwerer und immer schwerer; dann ein plötzliches Nachlassen des zermalmenden Gewichts; das unerklärliche Gefühl, gezogen zu werden, langsam, stückchenweise, über rauen, von Knochenstaub und Geröll bedeckten Boden …
Er erwachte abermals und stolperte zu einem der großen Fenster. Erneut blickte er hinaus in die ascheneblige Luft Torrlems.
»Blaak«, murmelte er. Der Traum saß ihm im Nacken. Seine schmerzenden Glieder verursachten ihm Übelkeit.
Er dachte an Pompom. Die Vulvatte konnte den Knochenhagel unmöglich überlebt haben. Das stimmte Jorge traurig. Er hatte Pompom gern gehabt. Pompom redete nicht dumm daher. Sie war in Ordnung gewesen. Jetzt war sie hinüber.
Er seufzte tief. »Was für eine verfluchte Stadt«, murmelte er. »Hier ist alles grau …«
In diesem Augenblick öffnete sich die Zimmertür, und Meister Kotkopp kam herein. Einen Moment lang war Jorge verlegen, weil er komplett entblößt im Raum stand, doch als er genauer darüber nachdachte, kam er zu dem Entschluss, dass es ihm scheißegal war.
»Agent Jorge«, rief Meister Kotkopp (Kojomias, erinnerte sich Jorge, sein richtiger Name lautet Kojomias). »Wie schön, Sie schon wieder auf den Beinen zu sehen. Wie geht es Ihnen? Erinnern Sie sich, was geschehen ist?«
Jorge nickte und sagte: »Nein. Ich meine, ein bisschen.« Er kehrte zum Bett zurück, kroch unter die Decke und zog sie bis unters Kinn hoch. »Wo ist Pompom?«
Meister Kojomias trat neben ihn. Er lächelte noch immer. »Wie meinen?«
»Pompom. Ist sie … ist sie tot?«
»Ich habe keine Ahnung, von wem Sie reden, Agent Jorge, tut mir leid. Wer ist Pompom?«
»Eine Vulvatte. Treues, possierliches Tierchen. Ich wollte ihr Kunststücke beibringen. Pompom hat einen guten Charakter. Anders als viele, die ich getroffen habe.«
Meister Kojomias zog ein langes Gesicht. »Von einer zahmen Vulvatte ist mir nichts bekannt. Da müssen Sie schon Ihren Kollegen fragen, er hat sie eingeliefert. Sie wissen doch, wo Sie sind, Agent Jorge?«
Jorge nickte. »Im Klinikum zum Heiligen St. Irgendwas. Bin offenbar verschüttet worden. M.H. hat mich da rausgeholt?«
»Ja, so scheint es. Er hat Ihnen das Leben gerettet. Aber Sie werden noch ein Weilchen brauchen, bis Sie wieder voll einsatzfähig sind.«
»Wann kommt M.H. wieder? Ich will wissen, was mit Pompom passiert ist!«
»Bald«, sagte Meister Kojomias und tätschelte Jorges Hand, die in der seinen groß wie ein Schinken wirkte.
Er musste erneut eingeschlafen sein. Als er die Augen wieder öffnete, beugte sich eine Frau über Jorges Gesicht und schüttelte sein Kissen auf. Er blinzelte. Ihr Gesicht hatte er schon einmal gesehen … es gehörte der medizinisch-thaumaturgischen Assistentin mit dem Dutt, die ihm an der Rezeption des Klinikums begegnet war, als er den Verrückten – wie war noch gleich sein Name gewesen? –, richtig, als er Agdeman, das Arschloch, verkohlt und halb tot hierhergebracht hatte.
»Und, wie geht es uns mittlerweile?«
Ein fürsorgliches Lächeln trat auf ihr Gesicht. Sie war ganz in Weiß gekleidet. Ihr Busen, in frisch gestärktes weißes Leinen verpackt, schwebte wenige Fingerbreit vor seiner Nasenspitze.
»Verdammt schönes Kind«, murmelte Jorge. »Bringst du mir Neuigkeiten von Pompom, meiner kleinen Freundin?«
Die Frau legte die Stirn in Falten. »Nein. Ich bringe Ihnen Ihre Kleidung. Wir haben sie so weit wieder hergerichtet, dass Sie sich anziehen können. Ich bin Schwester Ishvu.«
»Ishvu«, wiederholte Jorge und musterte die Frau von oben bis unten. Obwohl ihr Körper nicht überdurchschnittlich gut proportioniert und darüber hinaus in eine hochgeschlossene weiße Klinikkluft gehüllt war, spürte er, wie ihm das Blut in die Leistengegend schoss. Er hatte davon gehört, dass sich bei Männern, die nur knapp dem Tod entronnen waren, umgehend der Drang meldete, sich zu paaren und so zum Fortbestand der eigenen Rasse beizutragen. Nun, wie die Dinge standen (und sie standen mit Verlaub, man konnte es problemlos durch die weiße Bettdecke hindurch erkennen), war er ein Mann.
»Sag mal, Ishvu, du gewitztes medizinisch-thaumaturgisches Luder – trägst du unter deinem weißen Röckchen eigentlich ein Höschen?«
Das fürsorgliche Lächeln auf Schwester Ishvus Zügen erstarb. Jorge konnte förmlich zusehen, wie es von ihren Zügen rutschte und auf dem makellos sauberen Boden zerschellte.
»Ihrer dämlichen Vulvatte geht es gut«, stieß sie angewidert
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