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Der Orksammler

Der Orksammler

Titel: Der Orksammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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und Jorge sich ein weiteres Mal in die Tunnel tief unter der Stadt hinab wagen durften. Andererseits musste er jede Chance wahrnehmen, an Informationen zu kommen, die zur Lösung des Falles beitragen konnten.
    Erneut las er die Zeilen, die ihm Lith, die Sekretärin des Obersten Verwalters, zugesteckt hatte, als er nach seiner Unterredung mit Wylfgung dessen Büro verließ:
    Wir müssen uns sehen, unbedingt!
    Zur achten Abendstunde bei mir.
    Es geht um Leben und Tod!
    Die Botschaft klang beunruhigend, wenngleich man nicht ausschließen konnte, dass ein gewisses Quantum typisch weiblichen Pathos für die dramatische Formulierung mitverantwortlich war. Leider hatte er Lith nicht umgehend darauf ansprechen können, denn ihr Vorgesetzter war mit ins Vorzimmer gekommen, um seinen Gast zu verabschieden, und ihr verschwörerischer Blick, als sie das Papier in einer Tasche von Hippolits Gewand verschwinden ließ, machte unmissverständlich klar, dass sie ein Gespräch unter vier Augen wünschte.
    Hippolit war bereit, ihr diesen Gefallen zu tun – und dies nicht nur, weil Lith eine solche Augenweide war. Seit seinem vormittäglichen Besuch bei ihrem pflichtvergessenen Brötchengeber hatte er berechtigten Grund zu der Annahme, dass das Mädchen weit besser über seine und Jorges Ermittlungen Bescheid wusste, als es einer gewöhnlichen Sekretärin zustand.
    Während seines Gesprächs mit Meister Wylfgung war ihm eine kaum merkliche thaumaturgische Energieentfaltung im Büro des Verwalters aufgefallen. In einer längeren Phase scheinbaren Grübelns hatte er nahezu lautlos die Worte einer Signaturprüfung niedrigster Stufe gemurmelt, dazu mit den Händen außerhalb von Wylfgungs Sichtfeld einige unterstützende Gesten vollführt.
    Das Resultat war überraschend.
    Von einem Punkt unmittelbar vor Wylfgungs Gesicht verlief ein unsichtbarer Trichter thaumaturgischer Energie an Hippolit vorbei, durch die geschlossene Tür direkt ins Vorzimmer. Ihm war sofort klar, was das zu bedeuten hatte: Wylfgungs thaumaturgisch höchst begabte Sekretärin hatte einen stationären Wortwurf auf dem Schreibtisch platziert, der alles, was im Büro gesprochen wurde, zu ihr nach draußen transportierte. Gerissenes Biest!
    Was das Mädchen allerdings damit bezweckte, ihren Chef zu belauschen, war Hippolit völlig unklar. Es mochte schlichte Neugier sein. Möglicherweise steckte jedoch auch etwas anderes dahinter.
    Um dies zu ergründen, hatte er beschlossen, eine halbe Stunde zu investieren. Die wichtigsten Vorbereitungen waren ohnehin getroffen: Er hatte Jorge aus dem Klinikum abgeholt und in ihre Unterkunft gebracht. Sobald er sich angehört hatte, was das Mädchen zu sagen hatte, würde er zum Gästehaus zurückkehren, um erneut mit Jorge in die Katakomben aufzubrechen. Und vielleicht – wenn Vamba, die Göttin des Glücks, es gut mit ihnen meinte – wäre der Fall »Orksammler« ein paar Stunden später bereits Geschichte und konnte als gelöst zu den Akten gelegt werden.
    Ohne Mühe fand Hippolit das dreistöckige Wohnhaus am Ende der schmalen Kopfsteinstraße wieder. Die Eingangstür war nur angelehnt. Er stieg die Treppe hinauf und klopfte dreimal laut vernehmlich an die Tür zu Liths Bleibe.
    Für einige Momente geschah nichts. Dann flog die Tür auf, und ein hellblauer, wallender Schemen glitt durch die Öffnung auf Hippolit zu. Einen Augenblick später spürte er, wie sich ein weicher, warmer Körper an ihn presste. Geschmeidige Arme umklammerten seine Schultern.
    »Meister H. – endlich! Und Sie leben, was für ein Glück!«
    »Ich … also, nun ja. Quintessenziell, das tue ich wohl.« Trotz seiner Verwunderung nahm Hippolit zur Kenntnis, dass es sich bei dem wallenden Schemen um ein einteiliges Nachtgewand aus hellblauem Schleierstoff handelte, weit geschnitten und erstaunlich transparent. Zwar konnte er aufgrund von Liths Umarmung den Kopf kaum drehen, doch soweit er erkennen konnte, trug das Mädchen nichts darunter.
    »Ich bin so froh«, hauchte die Sekretärin dicht an seinem Ohr. »Ich hatte diesen Traum, wissen Sie, einen schrecklich intensiven Traum. Und darin wurden Sie … oh, ich mag gar nicht daran denken!«
    »Ruhig, mein Kind, ruhig.« Hippolit ertappte sich dabei, wie er mit der linken Hand ihren schlanken Rücken tätschelte. »Lassen Sie uns nach drinnen gehen. Ich würde mich gerne mit Ihnen über die Notiz unterhalten, die Sie mir heute Vormittag zugesteckt haben. Und über ein paar andere Dinge.«
    Lith nickte, ließ von

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