Der Pakt
haben sollte, so wollte er sich doch mit eigenen Augen von ihrem Tod überzeugen .
Bonampak nahm all die Dinge auf, die er sich in aller Eile zusammengestellt hatte, um der Mörderin damit den Tod zu bringen. Dann ging er dorthin, wo der Boden Lilith Eden verschlungen hatte.
Um ihr in die Tiefe nachzufolgen.
Getrieben von ärgerem Grimm denn je zuvor schritt Bonampak aus.
Du entkommst mir nicht, Lilith Eden! dachte er. Ob es mir nun vergönnt ist, dich mit eigener Hand zu töten, oder ob du schon tot bist - in jedem Fall werde ich auf deinen Leichnam speien!
Und wieder schwor er sich:
Und wenn es das Letzte ist...
*
Aus kalten Augen sah Tenango hinab auf die Adobehütten, die den Tempelbezirk umstanden. Aufregung herrschte unter den Menschen dort, und Tenango spürte, wie diese Aufregung sich auch seiner bemächtigen wollte. Doch er widerstand ihr. Im Gegensatz zu einigen anderen, die wie er der Priesterschaft angehörten.
Jener Priesterschaft, die nun, nach dem Ableben der Hohen Könige Mayabs, ohne jeden Nutzen war.
Wenn wir denn je einen wirklichen Nutzen zu erfüllen hatten , ging es Tenango düster durch den Sinn.
Er selbst zählte zu den ältesten Priestern. Dennoch erinnerte er sich noch gut jener Zeit, da die Hohen Könige ihn in ihren unmittel-baren Dunstkreis befohlen hatten.
Stolz hatte ihn erfüllt, zu einem gewissen Teil zumindest; in erster Linie aber hatte er sich damals einfach nur glücklich geschätzt. Denn wer zum Priester berufen wurde, der hatte es geschafft, dem ward das Joch der Tyrannei abgenommen. Ein Priester hatte nicht länger zu leiden unter der grausamen Willkür der Herrschenden; er gehörte eher zu ihnen als noch zu dem Menschenvolk, dem er entstammte. Und er brauchte nicht mehr Stund für Stund um sein Leben fürchten.
Dieses Glücksgefühl jedoch, sann Tenango weiter, hatte sich - in seinem Fall wenigstens - nur allzu rasch gelegt. Als ihm klar geworden war, daß er nur ein bitteres Los gegen ein kaum minder übles eingetauscht hatte .
Denn die Priesterschaft lebte weder frei von Sorgen und Nöten noch in Saus und Braus. Das einzige Privileg, das ihre Angehörigen genießen durften, war, daß die Könige sie nicht - oder nur ganz selten zumindest - zu Opfern erkoren, die sie in grausamen Spielen gegeneinander trieben oder auf die sie wilde Jagd machten.
Den meisten Priestern genügte dieser Lohn.
Tenango indes war nie zufrieden damit gewesen. Trotzdem hatte er kein Wort über seinen Unmut verlauten lassen oder gar versucht, tatsächlich etwas dagegen zu unternehmen. Stoisch und duldsam hatte er darauf gewartet, daß seine Stunde käme, da die Zeit des Dienens vorüber wären - - und nun, da eben dieser Zeitpunkt gekommen schien, war er offenbar auch schon vorüber ...
Die Zeichen, die Tenango selbst sah, waren schwerlich zu mißdeuten, und ebenso verhielt es sich mit den Berichten jener, die draußen gewesen waren.
Etwas geschah mit Mayab, und alles wies darauf hin, daß das Ende dieser versiegelten Welt gekommen war. Wer oder was immer das Gewölbe über der Hermetischen Stadt einst errichtet haben mochte, schien nunmehr beschlossen zu haben, sein Werk dem Untergang preiszugeben.
Der Brandgeruch hing noch immer über den verkohlten Mauerresten des zuvor so prachtvollen Palastes der Hohen Könige. Nicht nur die Herrscher hatte der Tod ereilt, auch etliche der Priester waren in den Flammen und nachfolgenden Wirren umgekommen.
Das Volk hatte sich wider seine Herren erhoben - und einen bitteren und allzu flüchtigen Sieg errungen. Die Strafe für ihren Frevel erhielten die Menschen nun von höherer Macht.
Wehmütig sah Tenango zum flackernden, von purpurnen Blitzen durchwirkten Himmel auf, dann noch einmal hinab zu den Menschen, die ihn in ihrem Aufruhr an Ameisen erinnerten, deren Bau zerstört worden war.
Schließlich wandte er sich von der Fensterhöhlung ab und jenen zu, die hinter seinem Rücken schon die ganze Zeit über in heftige Gespräche vertieft waren. Dabei schien es weniger um Worte und Argumente zu gehen als vielmehr darum, die anderen an Lautstärke zu übertreffen.
Tenango gestattete sich ein dünnes Lächeln, das viel von jener Enttäuschung verriet, deren bitterer Geschmack ihm nun schon seit so vielen Jahren den Mund füllte, als hätte er in all der Zeit nichts anderes gegessen als verdorbene Früchte.
In der Tat, dachte er resignierend, die Priesterschaft unterscheidet sich nicht vom gewöhnlichen Volk. Allenfalls durch Äußerlichkeiten ...
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