Der Pakt
fühlte: die kalte Bosheit und die lauernde Wut. Doch heute war da noch etwas anderes, eine verwunderte Neugier, die ihrerseits sie verwunderte.
»Was machst du hier?«, fragte Anzu.
»Ich will Antworten«, erklärte Sin gelassen und hielt den Kopf hoch erhoben. »Wie üblich. Ich werde meinen Talisman nicht abnehmen und ich werde den Kreis nicht durchbrechen. Ansonsten kannst du deinen Preis nennen.«
»Tatsächlich«, sagte Anzu. Er sah über die Flammen in dem kleinen hölzernen Keller hinweg auf die offenen Buchseiten, die sich einrollten, als versuchten sie ihm zu entkommen, und die Gesichter ihrer drei Kundinnen. »Ich glaube, ihr wisst gar nicht, was für einen Schatz ihr da gekauft habt«, erzählte er ihnen. »Das ist die Prinzessin des Jahrmarkts der Kobolde, seine Erbin, die Allerbeste. Die ihr Leben wegwirft für nichts und wieder nichts.«
Die Frauen betrachteten Sin auf eine Art, die ihr nicht gefiel. Sie sollte für sie ein schönes Werkzeug sein. Sie bezahlten sie nicht dafür, eine bestimmte Person zu sein.
Sie wusste, dass der Dämon sie nur provozieren wollte, aber sie konnte ihren Ãrger kaum unterdrücken und das leichte Kräuseln um Anzus schönen Mund machte ihr klar, dass er das wusste.
»Nicht für nichts«, informierte sie ihn. »Für einen Preis. Was ist deiner?«
»Begeben wir uns doch mal auf gleiches Niveau.« Anzus Lächeln machte ihr klar, wie weit sie gesunken war, wie tief die Prinzessin des Jahrmarkts der Kobolde gefallen war. Sins Zorn brannte und Anzus Augen glühten. »Drei wahre Antworten als Austausch für drei wahre Antworten. Klingt das fair?«
»Einverstanden.«
Merris hatte immer gesagt, Sin könne nicht gut vorausschauen. Nun, vielleicht war das so. Sie handelte lieber und gab den Kunden, was sie wollten. Ãber den Preis konnte sie später noch nachdenken.
Die Frau mit den roten Friseursträhnchen sprach als Erste. Ihre Stimme war klar, sie war offensichtlich eine geborene Organisatorin.
»Liebt mein Mann eine andere?«
Anzu sah ihr ins Gesicht. Einen Augenblick lang reflektierten seine Augen nicht die Lichter einer anderen Welt, sondern die normalen Lampen eines normalen Raumes, und einen Augenblick lang wurde sein Blick warm.
»Nein«, antwortete er. »Aber er hat schon vor sechs Jahren aufgehört, dich zu lieben.«
Das schwach aufleuchtende Lächeln der Frau verschwand. Anzus wilde Freude pulste wie Gift durch Sins Adern.
Die nächste Frau sprach, die ohne Schmuck und kunstvolle Frisur. Ihre Fingernägel waren bis zum Fleisch abgekaut.
Sie sahen, was den anderen geschah, aber sie dachten immer, dass die Antworten des Dämonen für sie irgendwie anders waren. Sie schienen nie zu lernen, dass die Wahrheit immer grausam war.
»Werden sie herausfinden, was ich ⦠was ich getan habe?«
Die Stimme der Frau war sehr dünn und schien sich in ihrer Kehle verknotet zu haben.
»Ja«, antwortete Anzu. Die Frau sackte in sich zusammen, als hätte sie einen zu schweren Schlag bekommen, doch Anzu war das noch nicht genug. »Aber du hast die Frage falsch gestellt«, fuhr er gnadenlos fort. »Werden sie es morgen herausfinden? Werden sie es nach deinem Tod herausfinden? Du wirst nie wissen, wann.«
Er warf ihr ein strahlendes Lächeln zu und wandte dann seine Aufmerksamkeit der letzten Frau zu, die echte Diamanten in den Ohren trug, aber ein hübsches Gesicht hatte. Sie wurde unter dem Blick des Dämonen unsicher, und Sin glaubte einen Moment lang, sie könne zur Vernunft kommen.
Doch wie immer war das Verlangen stärker als die Weisheit.
Die Frau holte tief Luft und fragte: »Hat sie mir verziehen, bevor sie gestorben ist?«
Anzus grausame Freude durchlief Sin wie eine kalte Meereswelle voller Messer.
»Nein.«
Die letzte Frau begann zu weinen. Anzu wandte sich von ihnen ab und machte deutlich, dass sie ihn langweilten. Er warf sein Haar zurück, sodass Funkenfedern durch die Luft segelten wie goldene Herbstblätter.
Er war eigentlich kein wirklich guter Darsteller, fand Sin. Er verlieà sich viel zu sehr auf seine Requisiten.
»Und nun, Tänzerin«, begann Anzu und richtete seinen Blick auf sie allein. »Nun bin ich an der Reihe.«
Er hob die Hand. Er konnte sie nicht berühren, nicht, so lange sie ihren Talisman trug und sich innerhalb der Linien aufhielt, aber er wollte, dass
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