Der Pakt der Liebenden
entführt worden is«, erklärte er. »Sagt, er kann den Fernseher nicht mehr einschalten. Sagt, die Sender springen ständig um, ohne dass er die Bedienung anrührt, und er kriegt davon ’nen Brummschädel.« Jackie dachte eine Zeitlang darüber nach. »Wieso passiert so was immer Typen aus Ogunquit?«
»Oder Fort Kent«, sagte Scotty.
»Oh ja, Fort Kent«, sagte Phil. Die drei nickten verständnisvoll. Unten im Südosten herrschte die weit verbreitete Ansicht, dass die Leute sehr seltsam wurden, wenn man ein Stück weiter in den Norden von Maine fuhr. Wenn man davon ausging, dass Fort Kent so weit nördlich lag, wie man nur kommen konnte, ohne die kanadische Staatsbürgerschaft anzunehmen, dann mussten die Bewohner ganz absonderlich sein.
»Ich meine«, fuhr Jackie fort, »was glauben denn die Außerirdischen, was sie rausfinden, wenn sie ’nem Typ aus Ogunquit ’ne Sonde in den Arsch stecken?«
»Vom Offensichtlichen mal abgesehen«, sagte Phil.
»Zum Beispiel, dass sie’s nicht noch mal machen sollten«, sagte Scotty.
»Man würde doch meinen, dass sie Atomforscher oder Generäle entführen«, sagte Jackie. »Stattdessen schnappen sie sich Bauernlackel und Landeier.«
»Fußvolk«, sagte Phil.
»Die erste Welle«, sagte Scotty. »Das sind diejenigen, die die Außerirdischen, du weißt schon, unterwerfen müssen.«
»Aber wozu die Sonde?«, fragte Jackie. »Was hat’s damit auf sich?«
»Könnte ja sein, dass sie jemand an der Nase rumgeführt hat«, sagte Phil. »Irgendein Venusianer: ›Jo, steck ihnen ’ne Sonde in den Arsch, dann fangen sie an zu leuchten.‹«
»Sie spielen ein Lied«, sagte Scotty.
»Ich begreif’s einfach nicht«, schloss Jackie.
Am anderen Ende der Bar kritzelte ein Mann etwas in ein Notizbuch. Sein Gesicht kam mir bekannt vor, und ich dachte, er wäre möglicherweise letzte Woche da gewesen, obwohl er kein Stammgast war. Er war Anfang fünfzig und trug eine braune Tweedjacke und ein weißes Hemd mit offenem Kragen. Er hatte kurze Haare und alterte entweder gut oder benutzte jede Menge Pflegemittel. Als ich ihn vorhin bedient hatte, hatte ich ein teures Aftershave wahrgenommen. Jetzt hatte er nur noch einen Fingerbreit Bier in seinem Glas. Ich ging zu ihm.
»Darf’s noch eins sein?«
Er sah mich kommen, schloss sein Notizbuch und warf einen Blick auf seine Uhr.
»Nur die Rechnung, danke.«
Ich nickte und schob ihm den Zettel zu.
»Nettes Lokal«, sagte er.
»Yeah, das ist es.«
»Arbeiten Sie schon lange hier?«
»Nee. Und ich würde auch heute nicht arbeiten, wenn nicht einer der Barkeeper krank wäre.«
»Aha? Sind Sie der Geschäftsführer?«
»Der Barchef.«
»Ha.« Er kaute an seiner Unterlippe und schien kurz nachzudenken. »Tja, ich muss los. Bis zum nächsten Mal.«
»Klar«, sagte ich. Ich schaute ihm hinterher. Jackie bemerkte meinen Gesichtsausdruck.
»Is irgendwas?«, fragte er.
»Vermutlich nicht.«
Ich hatte nicht die Zeit, den ganzen Abend über den Fremden nachzudenken. Am Donnerstag war im Bear immer Kleinstbrauereiabend mit besonderen Bieren, und an diesem Abend hatten wir eine kleine Brauerei namens Andrew’s Brewing Company aus Lincolnville, die von Vater und Sohn geführt wurde. Innerhalb von wenigen Minuten herrschte Hochbetrieb, und ich hatte alle Hände voll zu tun. Zwei große Gruppen, die Geburtstag feiern wollten, die eine fast nur aus Männern bestehend, die andere ausschließlich aus Frauen, kamen gleichzeitig in die Bar und vermischten sich im Laufe des Abends zu einer einzigen alkoholseligen Lustgemeinschaft. Da wir unterbesetzt waren, hieß das, dass Gary und ich glatte sechs Stunden durcharbeiteten. Ich konnte mich nicht einmal erinnern, wann Jackie gegangen war; ich musste gerade ein neues Fass angestochen haben, als er sich in die Nacht verzogen hatte.
»Wir haben doch noch Februar, stimmt’s?«, fragte Gary, während er einen Schwung Margaritas für Sarah machte, eine unserer Stammbedienungen, die stets einen Schal um den Kopf hatte, so dass sie an einem Abend wie diesem leicht zu entdecken war.
»Ich glaube schon.«
»Woher zum Teufel kommen dann all die Leute? Es ist Februar .«
Um halb elf wurde es etwas ruhiger, und wir mussten Nachschub einräumen und uns um unsere Opfer kümmern. Einer unserer Köche hatte sich mit einem Schälmesser einen üblen Schnitt am Handteller zugefügt, der genäht werden musste. Jetzt, da es im Bear ein bisschen ruhiger war, konnte er selbst zur Notaufnahme fahren. Abgesehen davon
Weitere Kostenlose Bücher