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Der Pakt der Liebenden

Der Pakt der Liebenden

Titel: Der Pakt der Liebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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Verandageländer, stützte die Hände auf die Knie und erholte sich allmählich. Ich stand ihm gegenüber und bereute meine Tat bereits. Ich hatte zugelassen, dass meine Wut hochkochte, und dann hatte ich sie an einem Mann ausgelassen, der kein ebenbürtiger Gegner für mich war.
    »Alles okay?«
    Er nickte, war aber nach wie vor grau im Gesicht. »Wofür war das?«
    »Ich glaube, das wissen Sie. Weil Sie auf meinem Grund und Boden rumgeschnüffelt haben. Weil Sie so dumm waren, Ihre Karte fallen zu lassen, als Sie hier waren.«
    Er stützte sich am Geländer ab. »Ich habe sie nicht fallen gelassen.«
    »Wollen Sie mir etwa sagen, dass Sie sie für mich auf der hinteren Veranda hinterlegt haben? Das halte ich für unwahrscheinlich.«
    »Ich will Ihnen sagen, dass ich sie nicht fallen gelassen habe. Ich habe sie unter der Tür durchgeschoben, zu der Frau, die letzte Nacht in Ihrem Haus war, aber sie hat sie einfach zurückgeschubst.«
    Ich schaute weg. Ich sah skelettartige Bäume inmitten des Immergrüns und die Kanäle in den Salzmarschen, die kalt inmitten des gefrorenen Schnees schimmerten. Ich sah eine einsame schwarze Krähe am grauen Himmel.
    »Was für eine Frau?«
    »Eine Frau in einem Sommerkleid. Ich habe sie angesprochen, aber sie wollte nichts sagen.«
    Ich warf ihm einen Blick zu. Er konnte ihm nicht standhalten. Er erzählte eine Version der Wahrheit, aber etwas Entscheidendes hielt er zurück. Er wollte sich schützen, aber nicht vor mir. Mickey Wallace hatte Todesangst. Ich erkannte es daran, wie er immer wieder auf irgendetwas hinter meinem Wohnzimmerfenster schaute. Ich wusste nicht, was er dort zu sehen erwartete, aber was immer es auch sein mochte, er war froh, dass es nicht auftauchte.
    »Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
    »Ich bin raus zum Haus gefahren. Ich dachte, Sie sind vielleicht offener für ein Gespräch, wenn Sie nicht in der Bar sind.«
    Ich wusste, dass er log, wollte es ihm aber nicht vorhalten. Ich wollte hören, was er über die Ereignisse der vorigen Nacht zu sagen hatte.
    »Ich habe ein Licht gesehen und bin zur Hintertür gegan­gen. Dort habe ich drinnen eine Frau gesehen. Ich habe eine Karte unter der Tür durchgeschoben, und sie hat sie zurückgeschoben. Dann –«
    Er stockte.
    »Weiter«, sagte ich.
    »Ich habe die Stimme eines Mädchens gehört«, fuhr er fort, »aber sie war draußen. Ich glaube, die Frau ist irgendwann zu ihr gegangen, aber ich weiß es nicht genau, weil ich nicht hingeschaut habe.«
    »Warum haben Sie nicht hingeschaut?«
    »Ich wollte lieber gehen.« Seine Miene und diese vier Worte sprachen Bände.
    »Eine kluge Entscheidung. Es ist schon schlimm genug, dass Sie überhaupt hier waren.«
    »Ich wollte nur sehen, wo Sie wohnen. Ich wollte nichts Unrechtes tun.«
    »Nein.«
    Er holte tief Luft, und als er sicher war, dass er sich nicht übergeben musste, richtete er sich zu voller Größe auf.
    »Wer waren sie?«, fragte er, und jetzt war ich es, der log.
    »Eine Freundin. Eine Freundin und ihre Tochter.«
    »Läuft die Tochter Ihrer Freundin immer bei dichtem Nebel im Schnee herum und schreibt Sachen an anderer Leute Autofenster?«
    »Schreibt Sachen? Was meinen Sie damit?«
    Mickey schluckte heftig. Seine rechte Hand zitterte. Die linke steckte in seiner Jackentasche.
    »Auf das Fenster meines Autos war etwas geschrieben, als ich zurückkam«, sagte er. »Da stand: Halte dich von meinem Daddy fern.«
    Ich musste meine ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um mich nicht zu verraten. Ich wollte mir unbedingt das Dachbodenfenster anschauen, denn ich musste an die Nachricht denken, die dort auf die Scheibe geschrieben worden war, eine Warnung, die ein Wesen hinterlassen hatte, das nicht ganz meine Tochter war. Doch das Haus fühlte sich nicht so an wie damals. Es wurde nicht mehr von Wut, Kummer und Schmerz heimgesucht. Vorher hatte ich ihre Anwesenheit gespürt, wenn die Schatten wechselten und die Dielen knarrten, wenn sich langsam Türen schlossen, obwohl kein Wind ging, und es an die Fenster klopfte, obwohl kein Ast sie berührte. Jetzt herrschte Frieden im Haus, aber wenn Wallace die Wahrheit sagt, dann war etwas zurückgekehrt.
    Ich erinnerte mich daran, dass meine Mutter mir ein paar Jahre nach dem Tod meines Vaters erzählt hatte, dass sie in der Nacht, in der seine Leiche in die Kirche gebracht wurde, geträumt habe, sie wäre aufgewacht, weil jemand im Schlafzimmer war, und meinte ihren Mann ganz in ihrer Nähe zu spüren. In der hinteren

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