Der Pakt der Wächter: Roman
Meinen Sie...«
»Bjørn, hören Sie mir zu. Hören Sie mir gut zu!«
»Ja?«
»Niemand vom SIS hat Stuart Dunhill angerufen.«
Ein Bus rauscht in einer schwarzen Dieselwolke vorbei.
»Wir haben Stuart zu keinem Zeitpunkt gewarnt, dass Scheich Ibrahims Männer auf dem Weg zum Schimmer-Institut sind.«
»Aber...«
»Das ist das erste Mal, dass ich davon höre. Wir wissen nicht, wo sich Scheich Ibrahim oder seine Männer rumtreiben.«
»Vielleicht hat ja jemand anderes...«
»Diane und ich sind die Einzigen, die Kontakt mit Stuart haben. Sonst niemand. Und ich wüsste davon, wenn Diane ihn angerufen hätte.«
Es durchfährt mich kalt.
Ein Fußgänger rempelt mich an und grunzt verärgert.
»Bjørn? Sind Sie noch da?«
»Ja.«
»Hören Sie, was ich sage?«
»Aber...«
»Weder ich noch Diane haben Stuart Dunhill angerufen.«
»Wieso sollte er gelogen haben?«
Professor Llyleworth seufzt. »Wir hätten Sie warnen sollen. Einige Leute am Schimmer-Institut vermuten, dass Stuart Dunhill möglicherweise für Scheich Ibrahim arbeitet.«
»Mein Gott!«
»Das SIS hat nie viel auf die Gerüchte gegeben. Der Verdacht war nie substanziell. Sie hatten nie etwas Konkretes gegen ihn in der Hand. Nichts! Im Grunde genommen war es nicht mehr als eine vage Vermutung, dass irgendetwas nicht stimmt. Das SIS hat sich entschieden, ihn zu unterstützen. Sich hinter ihn zu stellen. Wir haben die Gerüchte als böswilliges Gerede abgetan, das noch aus den Siebzigern herrührte...«
»…und mich direkt in seine Arme laufen lassen.«
»Bjørn. Hätten wir gewusst...« Er stockt. »Verlassen Sie Rom. So schnell wie möglich. Wenn Stuart tatsächlich mit dem Scheich unter einer Decke steckt, können Sie sicher sein, dass Hassan und die anderen nur auf eine günstige Gelegenheit warten. Irgendwo. Ohne dass Sie es mitbekommen.«
»Sie sind hier. Ich weiß, dass sie hier sind.«
»Sehen Sie zu, dass Sie wegkommen!«
»Warum lassen Sie mich auf eigene Faust operieren? Wieso tut Stuart so, als würden wir zusammenarbeiten?«
»Weil er Sie braucht. Stuart hat ein Vertrauensverhältnis zu Ihnen aufgebaut, um von allem zu profitieren, was Sie herausfinden. Er und der Scheich nutzen Sie aus. Verlassen Sie Rom, Bjørn! Nehmen Sie den Schnellzug nach Mailand, und fliegen Sie von dort. Die Flugplätze in Rom werden mit Sicherheit überwacht.«
»Und was ist mit dem Textfragment? Fünfundzwanzigtausend Euro. Was soll ich machen?«
»Kaufen Sie es! Und sehen Sie zu, dass Sie aus Rom wegkommen! Hören Sie?«
Der Patient (I)
1
Im Antiquariat ist niemand.
»Luigi?«
Er antwortet nicht.
Ungeduldig: »Luigi?«
Mein Blick gleitet verstohlen an den Reihen schlanker Buchrücken entlang.
Dann höre ich ein Geräusch.
»Luigi? Sind Sie oben?«
2
Luigi sitzt oben in seiner Wohnung auf dem Sofa. Auf den ersten Blick sieht es aus, als würde er ein Nickerchen machen. Sein Kopf ist leicht in den Nacken gefallen. Die Zigarre liegt auf seinem Schoß und ist erloschen.
»Luigi?«
Dann sehe ich, dass sein halber Hinterkopf fehlt.
Auf dem Boden hinter dem Sofa sind grau-rote Flecken. Luigi.
Nach Luft schnappend, taumele ich zurück.
Der menschliche Körper büßt sein göttliches Geheimnis ein, sobald er, aus welchem Grund auch immer, Löcher bekommt. Legt eine Schussverletzung das Gehirn bloß, fällt es einem wirklich schwer, sich vorzustellen, dass diese gelb-graue, breiige Masse einmal Gedanken über das Universum, die Liebe zu einer Frau und die Begeisterung für »Je crois entendre encore« beherbergt hat.
Auf dem Teller, der vor ihm auf dem Tisch neben Machiavellis verschrobenem Meisterwerk steht, liegen die zu Ascheflocken reduzierten Reste des Skáholt-Fragments.
Meine Knie zittern.
Hassan.
Hassan war hier.
Ich sehe es vor mir. Die Henker betreten den Laden, unmittelbar nachdem ich ihn verlassen habe, um zu telefonieren. Wahrscheinlich hat Luigi »Momento« gerufen, ehe er nach unten in den Laden lief. Sì signori ? Dann sah er die Pistolen. Sie schlossen die Ladentür ab und zwangen ihn, die Wendeltreppe in seine Wohnung hochzugehen und sich aufs Sofa zu setzen. Setz dich, du verdammter Quasimodo! Hassan wird gefragt haben, was Bjorn Belto vorhat. Oder ob dieser verfluchte Belto vielleicht versucht hat, Luigi die Thingvellirrollen zu verkaufen. Luigi hat den Kopf geschüttelt. Er muss gewusst haben, wie die Sache ausgeht. Kalt und ruhig hat er einen letzten Zug von seiner Zigarre genommen, bevor er die Glut an
Weitere Kostenlose Bücher