Der Pakt der Wächter: Roman
Teuflisches zum Inhalt zu haben.« Er lacht kurz. »Aber es steht noch ein Haufen Arbeit aus. Wir können nichts ausschließen, solange das Manuskript nicht vollständig übersetzt und transkribiert ist.«
Nach dem Telefonat spaziere ich, eine Melodie aus Les Miserables pfeifend, durch den römischen Morgen. In dem leisen Nieselregen glänzen die Bürgersteige wie Silber. Die Stadt ist noch verschlafen und träge.
Vor unserem Aufbruch gestern Abend hat Luigi mich gebeten, auf dem Weg zum Vatikan im Antiquariat vorbeizuschauen. Er wollte mir etwas zeigen. In aller Diskretion.
Stuart war schon in das nicht so geheime Archiv des Vatikans vorgegangen. Seine besonnene, britische und leicht berauschte Gentleman-Manier hat mittlerweile einem glühenden, rastlosen Eifer Platz gemacht. Er ist fest davon überzeugt, dass wir sehr bald ausreichend Beweise für einen Feldzug der Wikinger in Ägypten zusammengetragen haben, so dass er endlich einen fundierten, unumstößlichen Artikel darüber schreiben und in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlichen kann. Die Rache ist mein, sagt der Herr. Mihi vindicta, ego retribuam, dicit Dominus . Aber ich glaube nicht, dass Stuart etwas dagegen hat, seine Widersacher im eigenen Namen und im Namen des Herrn mit Asche zu bestreuen.
3
Die Türglocke klingelt munter, als ich das Antiquariat betrete.
» Momento, momento! «
Luigi kommt mit verschlafenen, schielenden Augen um eine Ecke gewackelt. Er trägt eine Schürze, die von einem noch nicht abgeschlossenen Frühstück zeugt. Er heißt mich mit einem kräftigen Handschlag willkommen. »Treten Sie ein, mein Freund, herein!« Er schließt die Tür ab und bittet mich, ihm nach oben zu folgen. »Danke für den gestrigen Abend. Ich hoffe, wir haben Sie nicht erschreckt?«
Das zarte Duett »Je crois entendre encore« aus der Oper Die Perlenfischer von Bizet strömt aus den Lautsprechern. Er setzt sich auf das Sofa. Mit einem zufriedenen Seufzer lehnt er sich zurück. »Wunderbar, nicht wahr?« Es dauert etwas, bis ich begreife, dass er das Duett meint. Sein gesundes Auge wird feucht. »Nur Musik und Frauen vermögen ein derartiges Wohlbehagen in einem auszulösen.«
Ich versuche mir die Frauen vorzustellen, bei denen Luigi einen Schlag haben könnte.
»Sie wollten mir etwas zeigen?«
Er dreht sich zu mir, und ich habe das Gefühl, dass er mich mit seinem blinden Auge anstarrt.
»Sie haben sich nach Scheich Ibrahims Interesse für Asim erkundigt?«, beginnt er. »Ich habe mich ein wenig umgehört. Wie sich zeigte, hat während des Krieges ein Mitarbeiter des Vatikans Originale und Kopien aus dem Archiv verkauft. Der treulose Diener hoffte wahrscheinlich darauf, sich auf diese Weise ein nicht unerkleckliches Vermögen zu verdienen, aber er wurde natürlich geschnappt. Der größte Teil des Materials konnte wiederaufgespürt und dem Archiv zurückgegeben werden. Nichtsdestotrotz zirkulierten in Sammler- und Forscherkreisen weiterhin unautorisierte Kopien, und diese Dokumente – oder Kopien, sollte ich wohl besser sagen – wurden nach und nach in einer Sammlung mit dem Beinamen Die Vatikanpapiere zusammengetragen. Die Sammlung bestand aus Kopien einzelner evangelischer Textfragmente, etlicher kontroverser gnostischer Schriften, mehrerer päpstlicher Bullen zur Rechtgläubigkeit sowie einzelner ägyptischer Textsammlungen, vorwiegend koptisch, darunter vermutlich auch einige von Asims Dokumenten. Die Vatikanpapiere bekamen in antiquarischen Kreisen rasch einen mystischen Nimbus. In den Fünfzigerjahren verschwand die Sammlung, um 1974 bei einer illegalen Auktion in Buenos Aires wieder aufzutauchen – drei Jahre vor der aufsehenerregenden Entdeckung Ihres Freundes Stuart in Ägypten. Die komplette Sammlung wurde für anderthalb Millionen Dollar verkauft. Raten Sie mal, an wen?«
»Den Scheich.«
»Ganz genau. Scheich Ibrahim.«
»Ich danke Ihnen, Luigi!« Ich stehe auf, um mich zu verabschieden. Ich kann es kaum abwarten, meine Suche im Vatikanarchiv fortzusetzen. Und ehrlich gesagt, ist diese Enthüllung nicht wirklich eine Überraschung für mich.
»Da wäre noch etwas...« Luigi senkt die Stimme. »Nach unserem Treffen im Club hat mich einer der Teilnehmer zurückgehalten. Er vertraute mir an, im Besitz eines ziemlich zerstörten Dokumentfragments zu sein, an dessen Risskante ganz deutlich die beiden Symbole Anch und Ty zu erkennen seien. Er weiß aber nicht, worum es in dem Dokument geht. Er hat das Fragment,
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