Der Pakt der Wächter: Roman
anderen Ergebnissen. Sollte es wirklich eine Satansbibel gegeben haben, hat die sicher nichts damit zu tun.«
»Was geschah mit den Wächtern, nachdem sie die Entdecker getroffen haben? Sind sie nach Europa zurückgekehrt?«
»Einige schon. Andere blieben dort. Sie nahmen an der Schatzsuche auf dem mittelamerikanischen Festland teil. Mit den unfassbaren Vorkommen an Gold und Edelsteinen, die sie fanden, finanzierten sie den Bau des Miércolespalastes und legten damit den Grundstein für den Reichtum meiner Familie.«
»Und die Mumie?«
»Eine traurige Geschichte. Sie verschwand irgendwann Anfang des 17. Jahrhunderts. Streng genommen, hat sie sich wohl aufgelöst. Zu diesem Zeitpunkt war niemand mehr loyal Asim oder seinen Ahnen gegenüber. Sie ließen es sich hier im Palast einfach gut gehen.«
»Die Mumie hat sich aufgelöst?«
»Es gibt noch ein paar Knochenfragmente und Staubreste der Mumie in einem Tongefäß, das ist alles.«
Ich bin enttäuscht.
»Vermutlich hat sie die vielen Klimawechsel nicht vertragen. Aus der trockenen Hitze Ägyptens in die kalte, feuchte Luft Norwegens. Das Meer, das Salzwasser, die Transporte, das hat sie einfach nicht ausgehalten.«
»Und die Papyrusschriften?«
»Einige davon sind noch immer in unserem Besitz. Ein paar haben wir dem Vatikan verehrt. Die Übrigen befinden sich hier in unserer Bibliothek. Aber die sind nichts Besonderes. Sie sind in erster Linie von wissenschaftlichem Interesse. Fragmente biblischer Abschriften aus dem 5. oder 6. Jahrhundert, Alltagsschilderungen aus Ägypten, Lieder, so etwas.«
Er hält inne. »Bjørn. Asims Kopie von Thingvellir … Ich frage Sie noch einmal.« Er sieht mich an. »Werden Sie mir die isländischen Manuskripte geben?«
Ich schweige.
»Sie gehören hierher, in den Palast. Zu den anderen Schriften.«
»Die Schriftrollen sind nicht in meinem Besitz.«
»Wer hat sie?«
»Das Manuskript ist ein historisches Artefakt«, sage ich ausweichend. »Es ist strafbar, es aus den Händen zu geben.«
»Das Manuskript«, beginnt er erneut, bricht dann aber ab. »Warum vertrauen Sie mir nicht? Wollen Sie nicht auch einen Beitrag leisten, Asims Projekt zu Ende zu führen?«
»Asims Aufgabe war es, die Mumie zu schützen. Und die gibt es nicht mehr.«
»Nicht physisch.«
»Die Wächter haben versagt. Sie haben ihre Aufgabe nicht erfüllt.«
Esteban verstummt. »Sie wissen es«, sagt er schließlich, »Sie hätten einer von uns sein können. Ein Wächter! Sie sind vom rechten Schrot und Korn. Es waren Menschen wie Sie, die Asim und König Olav um sich geschart haben. Ausdauernd, furchtlos und besessen von den großen Visionen.«
»Gibt es ihn noch? Ist es das, was Sie mir sagen wollen? Existiert der Orden der Wächter noch immer?«
Sein Blick ist nach innen gerichtet, weit in die Vergangenheit.
»Jetzt bewachen wir nur noch Erinnerungen und die Schatten der Vergangenheit.«
Beatriz
1
Zwei livrierte Bedienstete klopfen an die Tür, als draußen auf dem Flur die große Endzeituhr achtmal schlägt. Gemächlich werde ich von zwei Pinguinen durch die mit Teppichen ausgelegten Irrgänge des Miércolespalastes eskortiert, in dem mich jeder Schritt, den ich mit meinen Krücken mache, weiter zurück in die Vergangenheit führt.
Im Speisesaal werde ich bereits von Esteban Rodriquez und seiner Familie erwartet. Sie sitzen unter einem Kronleuchter, der aus der Entfernung locker als Nordlicht durchgehen könnte. Estebans Frau Sophia drückt meine Hand mit einem Lächeln, das ihre Augen nicht erreicht. Sie ist eine dunkelhaarige Schönheit, die mich an die Hohepriesterinnen der Inkas erinnert, die ihren Opfern das Herz aus dem Leib rissen. Tüchtige Chirurgen haben ihr Antlitz und ihre Figur in eine frühere Form gegossen, die sie um keinen Preis hergeben will. Ihr Sohn Javier ist ein braun gebrannter Playboy mit funkelnden Augen und einem Zahnpastalächeln voller schöner Versprechungen. Teile des Jahres verbringt er in Bel Air und Saint-Tropez, und er strahlt, als käme er gerade von einer hippen Party mit jeder Menge Gratiskokain und Frauen. Graciela hat die Abwesenheit und Schönheit ihrer Mutter geerbt. Sie ist in meinem Alter, wirkt aber wie ihre Mutter viel jünger. Ihr Händedruck ist schlaff, und sie zieht die Hand schnell wieder weg, als würde es sie ekeln, mich zu berühren.
Danach begrüße ich Estebans Schwester.
Beatriz mag Ende fünfzig sein, aber ihr Blick hat den feurigen Glanz, der starken, intelligenten,
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